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Abbildung 2. 1. Gipfeln 2024 u2013 links die Variante mit tiefer Laubwand, rechts jene mit praxisu00fcblicher Hu00f6he.>

Versuch zur Alkoholreduktion durch niedrigere Laubwand bei der Sorte Solaris

Die zunehmend wärmeren Sommer fördern eine frühe und schnelle Reifung der Trauben und damit hohe Zuckergehalte, geringere Aromabildung und raschen Säureabbau. Im durchgeführten Versuch werden die Auswirkungen einer reduzierten Assimilationsfläche (Laubwandhöhe) auf den Reifegrad und die Qualität der Trauben bei der Sorte Solaris aufgezeigt.

Ausgangslage und Versuchsfrage

Die zunehmend wärmeren Sommer fördern eine frühe und schnelle Reifung der Trauben und damit hohe Zuckergehalte, geringere Aromabildung und raschen Säureabbau. Insbesondere bei aromareichen und früh reifenden Weissweinsorten kann dies in der Folge zu alkoholbetonten Weinen mit wenig Frische führen. Das entspricht nicht unbedingt dem Qualitätsanspruch der Kundinnen und Kunden. Gerade Weiss- und Schaumweine verzeichnen aber stabile oder steigende Marktanteile, während der Konsum von Rotwein rückläufig ist (Medienmitteilung, BLW, 2024).

Durch die Reduktion der Assimilationsfläche lässt sich die Entwicklung der Trauben verzögern, wodurch sich auch die Zuckerbildung und der Säureabbau verlangsamen sollte. Im durchgeführten Versuch werden die Auswirkungen einer reduzierten Assimilationsfläche (Laubwandhöhe) auf die Traubenqualität der Sorte Solaris aufgezeigt. Diese Sorte wurde gewählt, weil sie bekannterweise sehr hohe Zuckergehalte erreicht und sehr früh reif ist, die Auswirkungen der Laubwandreduktion sollten daher gut messbar sein.

Gleichzeitig wurde geprüft, ob die Verwendung eines neuen Hefestamms (Lachancea thermotolerans), der Zucker teilweise in Milchsäure umgewandelt, den Alkoholgehalt reduzieren und den Säuregehalt erhöhen kann.

Methodik 

Laubwandmanagement

Der Versuch wurde auf dem A&V Betrieb Rebbau in Wülflingen durchgeführt. Die genutzte Rebfläche (Solaris, Querterrassenanlage) wurde in zwei mehr oder weniger gleich grosse Blöcke geteilt (siehe Abbildung 1), die während des Jahres einheitlich gepflegt wurden.

Im Standard-Verfahren (H-LW) wurde praxisüblich rund 10 bis 20 cm über dem Drahtrahmen gegipfelt (kappen der wachsenden Triebe). In der Reduktions-Variante (T-LW) erfolgte das Gipfeln ca. 30 cm tiefer, zwischen den beiden oberen Heftdrähten (siehe Abbildung 2). Das entspricht einer Reduktion der Laubwandhöhe um ca. 1/4. Durchgeführt wurde die Arbeit jeweils von Hand mit einer Heckenschere. 2023 wurden die beiden Verfahren 2-mal, am 03. Juli und 08. August, 2024 3-mal, am 18. Juni, 09. Juli und 29. August, gegipfelt.

versuch laubwandhöhe solaris 2023
Abbildung 1: Versuchsfläche 2023 und 2024
versuch laubwandhöhe solaris 2023
Abbildung 2. 1. Gipfeln 2024 – links die Variante mit tiefer Laubwand, rechts jene mit praxisüblicher Höhe.

In beiden Versuchsjahren wurde jeweils kurz vor der Ernte aus jedem Verfahren eine 200 Beeren-Probe zur Bestimmung der Zucker- und Säuregehalte der Trauben entnommen. Die Probennahme erfolgte 2023 am 11. September und 2024 am 03. September. Geerntet wurden die Trauben 2023 am 12. September und 2024 am 06. September.

Die Beerenproben wurden anschliessend von der Weinbauzentrum Wädenswil AG auf die üblichen Reifeparameter (Zuckergehalt, Säure, pH-Wert und hefeverfügbarer Stickstoff) analysiert.

Weinbereitung

2023 wurden beide Verfahren am 12. September abgebeert, danach wurde direkt Enzym (T. Opti DF 3 g/hl und T. Filtro DF 5 g/hl) zugegeben. Nach 4 Stunden Standzeit wurde abgepresst, den Mosten Mostgelatine 50 g/hl zugegeben und geklärt. Danach wurde die Mostmenge der beiden Verfahren (H-LW und T-LW) geteilt. Jede der beiden Teilmengen wurde am 13. September (H-LW) bzw. am 14. September (T-LW) mit verschiedenen Hefen beimpft. 

  1. Beimpfung mit Saccharomyces cerevisiae (Oenoferm Finesse 25 g/hl)
  2. Gleichzeitige Beimpfung mit Saccharomyces cerevisiae (Oenoferm Finesse 25 g/hl) und Lachancea thermotoleranz (Excellence X-Fresh 25 g/hl)

 

Zusätzlich wurden jeder Teilmenge Bentonit (Fermobent 70 g/hl) und Hefenährstoff (VF Base 50 g/hl) beigegeben. Die Gärung der Weine erfolgte bei 15 – 18 °C und dauerte zwischen 11 und 13 Tagen (Abbildung 3). Die weitere Behandlung der Weine bis zur Füllung war gleich. Insgesamt ergaben sich daraus vier verschiedene Versuchsweine.

  1. H-LW SC – Hohe Laubwand, Saccharomyces cerevisiae
  2. H- LW SC+LT – Hohe Laubwand, Saccharomyces cerevisiae und Lachancea thermotoleranz
  3. T-LW SC – Tiefe Laubwand, Saccharomyces cerevisiae
  4. T-LW SC+LT – Tiefe Laubwand, Saccharomyces cerevisiae und Lachancea thermotoleranz

 

versuch laubwandhöhe solaris 2023
Abbildung 3. Abnahme der Dichte (°Oe) – und somit des Zuckergehalts – der Versuchsweine während der Gärung.
versuch laubwandhöhe solaris 2023
Abbildung 4: Versuchsweine 2023

Von den fertigen Weinen 2023 wurde vor der Füllung eine Weinanalyse gemacht. 2024 wurde auf eine separate Kelterung der Trauben verzichtet.

Beurteilung der Versuchsweine 2023

Die fertigen Versuchsweine wurden von Konsumenten und Experten degustiert und bewertet. Die Degustationen mit Konsumenten fanden im Rahmen von Messen oder sonstigen Veranstaltungen statt. Die Datenerfassung erfolgte online mittels MS-Forms. Die Teilnehmenden wurden mit den folgenden Fragen nach ihrer Präferenz gefragt und sollten die Versuchsweine dementsprechend reihen. 

  1. Welcher der Weine hat Ihnen am besten geschmeckt?
  2. Welcher der Weine ist für Sie am aromatischsten?
  3. Welcher der Weine ist für Sie am frischesten/spritzigsten?

 

Für die Bewertung der Weine durch die Experten – ausgewählte Vertreter aus Produktion, Weinhandel und Gastronomie – wurde ein anderes Vorgehen gewählt. Die Versuchsweine wurden als Paket zugesandt, damit die Weine zuhause degustiert werden konnten. 

Die Datenerfassung erfolgte wieder über MS-Forms, allerdings in einer detaillierten Bewertung nach den folgenden Kriterien: 

  1. Aussehen: Farbe, Klarheit
  2. Geruch: Intensität, grasig/krautig, blumig, fruchtig, würzig, Gäraromen
  3. Geschmack: Süsse, Säure, Salzigkeit, Bitterkeit, Struktur (Körper), Abgang, Harmonie
  4. Gesamteindruck des Weins

 

Zur Beurteilung konnten ein bis fünf Punkte vergeben werden, je nach Intensität des jeweiligen Kriteriums. Der Wert 0 wurde mit als „nicht zutreffend, ungenügend, sehr wenig“ beschrieben, der Wert 5 dementgegen mit „sehr zutreffend, sehr gut, sehr viel“.

Resultate 

Einfluss auf die Traubenreife

Die Analysen der Beerenproben (Tabelle 1) zeigen in beiden Jahren sehr deutliche Unterschiede im Mostgewicht, angegeben als Grad Öchsle (°Oe). Im Verfahren mit praxisüblicher Laubwandhöhe (H-LW) wurde jeweils ein höherer Wert gemessen als im Verfahren mit reduzierter Laubwand (T-LW). Beim pH-Wert, dem Säuregehalt und dem Gehalt an hefeverfügbarem Stickstoff waren die Daten dagegen nicht so eindeutig.

Tabelle 1. Daten der Traubenanalysen der Jahre 2023 und 2024 (200 Beeren-Proben)

 JahrBeerengewicht (g)Zucker (°Oe)Dichte (20/20°)pH-WertGesamtsäure (g/l)Weinsäure (g/l)Apfelsäure (g/l)Stickstoff (mg/l)
H-LW20231.68102.51.1023.127.08.91.4157
T-LW20231.6389.71.0993.116.89.01.2186
H-LW20241.7899.11.09913.148.78.22.8234
T-LW20241.5792.91.09293.089.28.33.0227

Der Gesundheitszustand der Trauben zur Ernte und auch der Ertrag waren in beiden Jahren in beiden Verfahren vergleichbar. Auf eine genaue Erhebung dieser Parameter wurde verzichtet.

Auswirkung auf die Weinqualität (nur Daten aus 2023)

Wie Tabelle 2 deutlich zeigt, wurden bei den Weinanalysen Unterschiede im Alkoholgehalt zwischen den Verfahren H-LW und T-LW von 1.0 Vol% festgestellt. Der Einsatz von Lachancea thermotoleranz (LC) hatte allerdings keine weitere Reduktion des Alkoholgehaltes zur Folge. Auf die weiteren analysierten Inhaltsstoffe hatten weder die unterschiedlichen Laubwandhöhen noch der Einsatz von Lachancea thermotoleranz nennenswerten Einfluss. Lediglich der Wein aus dem Verfahren H-LW SC+LT wies einen leicht erhöhten Milchsäurewert und einen leicht tieferen pH-Wert auf als der Wein aus dem Verfahren H-LW SC.

Tabelle 2. Daten der Weinanalyse 2023

 Alkoholgehalt (Vol%)Restzucker (g/l)pH-WertGesamtsäure (g/l)Flüchtige Säure (g/l)Apfelsäure (g/l)Milchsäure (g/l)Weinsäure (g/l)
H-LW SC15.21.73.275.90.221.203.6
H-LW SC+LT15.21.63.196.60.231.30.53.6
T-LW SC14.21.43.245.80.271.103.6
T-LW SC+LT14.21.73.265.90.311.20.13.4

Ergebnisse der Konsumentenbefragung

Im Laufe des Jahres 2024 konnten 149 Bewertungen von Konsumentinnen oder Konsumenten zu den Versuchsweinen des Jahrgangs 2023 erhoben werden.

Tabelle 3. Daten der Konsumentenbefragung

  Anzahl Nennungen nach Kategorie (n=149)
  Am bestenAm aromatischstenAm spritzigsten
Wein 1H-LW SC484842
Wein 2H-LW SC+LT333945
Wein 3T-LW SC362232
Wein 4T-LW SC+LT324030

 

Wein 1 wurde von den meisten Teilnehmenden als am besten beurteilt, mit doch deutlichem Abstand zu den anderen Versuchsweinen. Bei der Frage nach dem aromatischsten Wein wurde ebenfalls Wein 1 am häufigsten genannt. Bei der Spritzigkeit wurde Wein 2 knapp häufiger als erstes genannt. Die Weine aus den Verfahren mit reduzierter Laubwand wurden von den Konsumenten tendenziell eher als weniger gut empfunden.

Ergebnisse der Expertendegustation

Im Rahmen der Expertenbefragung gaben 8 Testpersonen Rückmeldung zu den Versuchsweinen.

Die Degustationsprofile (Abbildung 4) zeigten wenig Differenzierung zwischen den einzelnen Versuchsweinen. Wein 1 wurde tendenziell als etwas intensiver im Geruch (Aroma) eingeschätzt. Dafür wurde bei diesem Wein – ebenso wie bei Wein 2 – ein geringfügig höherer Säuregehalt bemerkt. Generell ist festzuhalten, dass die Weine – ausser beim Aussehen – eher mittelmässig beurteilt wurden (siehe Tabelle 4).

Tabelle 4. Gesamteindruck der Versuchsweine (0 - 5 Punkte)

  Gesamteindruck
Wein 1H-LW SC3.25
Wein 2H-LW SC+LT2.50
Wein 3T-LW SC3.13
Wein 4T-LW SC+LT3.13
versuch laubwandhöhe solaris 2023
Abbildung 5. Aroma- und Geschmacksprofil der Versuchsweine aufgrund der Rückmeldungen der Experten (n=8).

Diskussion 

Durch die Höhenbegrenzung der Laubwand auf rund 3/4 der üblichen Höhe konnte in beiden Versuchsjahren eine deutliche Reduktion der Zuckerbildung erreicht werden. Diesen Effekt bestätigen auch Versuche von Verdenal et al. (2021). Einflüsse auf die weiteren gemessenen Reifeparameter, wie pH-Wert und Säuregehalt waren nicht so eindeutig, wie auch in einer Studie von Jahnke et al. (2023) erwähnt wird. Bei diesen Parametern gab es zwar Unterschiede zwischen den beiden Versuchsjahren, aber keine Unterschiede zwischen den Verfahren innerhalb des gleichen Jahres. Die in diesem Versuch messbaren Jahresunterschiede waren zu erwarten und lassen sich gut anhand der Witterung und der daraus resultieren Entwicklung der Reben erklären.

Im Jahr 2023 wurde in der Variante mit der tieferen Laubwand ein höherer Gehalt an hefeverfügbarem Stickstoff gemessen, dies deckt sich mit den Ergebnissen von Verdenal et al. (2021) bei der Sorte Chasselas. Insgesamt waren die Stickstoffwerte an der unteren Grenze der für einen optimalen Gärverlauf bei Weissweinen empfohlenen Werte von 150 mg/L. Im Folgejahr konnte dieser Effekt nicht mehr festgestellt werden. 2024 war ein deutlich feuchteres Jahr mit guter Wasserversorgung und damit einer guten Stickstoffaufnahme während der gesamten Vegetationsperiode. Eine Verbesserung der Stickstoffversorgung der Beeren durch die reduzierte Blattfläche war deshalb nicht möglich. Dies zeigen auch die im Vergleich zum Vorjahr deutlich höheren Stickstoffgehalte.

Der Arbeitsaufwand für die Reduktion der Laubwand war in unserem Versuch nicht Objekt der Betrachtung. Da in dieser Parzelle das Einkürzen der Triebe generell von Hand erfolgt, war auch kein grösserer Unterschied diesbezüglich zu erwarten. In Praxisanlagen, die üblicherweise maschinell gegipfelt werden, dürfte der Arbeitsaufwand aber beträchtlich steigen, da auf Handarbeit umgestellt werden müsste. 

Diese Reduktion des Mostgewichts im Jahr 2023 führte in der Folge zu einem um 1.0 Vol% geringeren Alkoholgehalt im Wein. Die gleichzeitige Beimpfung mit der Hefe Lachancea thermotoleranz hatte keinen Einfluss auf den Alkoholgehalt. Da auch der Gehalt an Milchsäure in den beiden Weinen, die mit dieser Hefe beimpft wurden, vergleichbar ist mit jenen, die nur mit Saccharomyces cerevisiae vergoren wurden, lässt sich schliessen, dass letztendlich Saccharomyces cerevisiae für die Gärung verantwortlich war. Lachancea thermotoleranz dürfte von der Standardhefe unterdrückt worden sein und konnte darum keine Wirkung entfalten (Benito et al., 2016). 

Aus der Weinbewertung und den ergänzenden Beschreibungen der Experten konnte ebenfalls nicht auf einen messbaren Effekt dieser Hefe rückgeschlossen werden. Daraus ergibt sich die Folgerung, dass Lachancea thermotoleranz entweder zeitversetzt – vor der Zugabe von Saccharomyces cerevisiae – angewendet werden sollte, oder aber, dass eine Teilmenge nur mit dieser Hefe vergoren werden sollte, um dann die Weine wieder zu verschneiden. Diesem Ansatz wird in einem Folgeversuch nachgegangen.

Insgesamt wurden die Versuchsweine von den Experten nur mittelmässig beurteilt. Viele fanden den Alkoholgehalt der Weine zu hoch und die Weine dadurch unharmonisch. 

Quellen:

  • Bundesamt für Landwirtschaft (2024). Marktanteil von Schweizer Weinen trotz rückläufigem Weinkonsum gewachsen. Medienmitteilung, 18.04.2024, 
    https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.
  • Gizella Jahnke, Barna Árpád Szoke, Szabina Steckl, Áron Pál Szövényi, Gyöngyi Knolmajerné Szigeti, Csaba Németh, Botond Gyula Jenei and Diána Ágnes Nyitrainé Sárdy (2023). Delay in the Ripening of Wine Grapes: Effects of Specific Phytotechnical Methods on Harvest Parameters. Agronomy 2023, 13, 1963. https://doi.org/10.3390/agronomy13081963
  • Ángel Benito, Fernando Calderón, Felipe Palomero and Santiago Benito (2016). Quality and Composition of Airén Wines Fermented by Sequential Inoculation of Lachancea thermotolerans and Saccharomyces cerevisiae. Food Technol. Biotechnol. 54 (2) 135–144 (2016). 
  • Thibaut Verdenal, Vivian Zufferey, Mélanie Huberty, Claire Melot, Ágnes Dienes-Nagy, Jean-Laurent Spring (2021). Leaf area management affects grape nitrogen content. IVES Technical Reviews, 2021. https://doi.org/10.20870/IVES-TR.2021.4852