So finden Sie uns

Strickhof
Eschikon 21
CH-8315 Lindau
+41 58 105 98 00
info@strickhof.ch

Strickhof auf Social Media

Frisch sporulierender Falscher Mehltau an Salat in der Saison 2023>

Potential der Züchtung nutzen

Das Beispiel des Falschen Mehltaus an Salat zeigt, wie Pflanzenschutz im Gemüsebau viel mehr ist als die direkte chemische Bekämpfung. Seit Jahrzehnten stellen in dieser Kultur Resistenzen eine wichtige Komponente in der Bekämpfung dar. Die Züchtung dürfte auch in anderen Gemüsekulturen künftig eine noch wichtigere Rolle im Pflanzenschutz einnehmen als schon bisher.

Der Falsche Mehltau des Salats (Bremia lactucae) ist die gefürchtetste Krankheit im Salatanbau. Ein Befall durch die Pilzkrankheit führt zu auffälligen Symptomen und unmittelbar zur Unverkäuflichkeit der Ware. Zudem führt der schnelle Vermehrungszyklus von rund einer Woche und die Verbreitung über Konidiosporen bei feuchter Witterung zu einer epidemischen Krankheitsausbreitung. Ganze Bestände können innert Tagen verloren gehen. Die letzten beiden Saisons haben das jeweils im Spätsommer eindrücklich gezeigt. Der Erreger gehört zur Gruppe der Eipilze (Oomycota), wie andere falsche Mehltaupilze etwa der Rebe oder der Zwiebel.  Der Erreger ist sehr spezialisiert und obligat biotroph d.h. er benötigt lebendes Pflanzenmaterial für die Fortpflanzung. Als Wirtspflanzen kommen neben allen Formvarietäten des Gartensalats (Lactuca sativa) auch eine Reihe anderer Asteraceen wie etwa Gänsedistel oder Goldrute infrage. Zichorien-Salate und Endivien werden in der Regel nicht befallen. Die Bekämpfung beruht nebst Fungiziden bzw. Stärkungsmittel und Kulturmassnahmen (Standraum, Abtrocknung, Feldhygiene, Bekämpfung der Nebenwirte) massgeblich auf dem Verwenden von resistenten Sorten.

Durch Blattadern begrenzte nekrotische Stellen auf der Blattoberseite von Eisbergsalat in der Saison 2023
Durch Blattadern begrenzte nekrotische Stellen auf der Blattoberseite von Eisbergsalat in der Saison 2023

 

Wettlauf zwischen der Rassenentwicklung und der Resistenzzüchtung

Bremia lactucae durchläuft nebst dem asexuellen Vermehrungszyklus auch einen sexuellen Zyklus, was zu einer hohen genetischen Variabilität und dem schnellen Ausbilden von neuen Rassen führt. Erste Beobachtungen, dass nicht jede Salatsorte gleich anfällig auf den Falschen Mehltau ist und diese Sortenunterschiede wiederum nicht überall auf der Welt gleich zu beobachten sind, wurde in den 1920er Jahren in den USA und England gemacht. Offenbar waren hier also unterschiedliche Pilzrassen am Werk. Ab den 1950er Jahren kamen erste Sorten mit verbesserter Resistenz durch Einkreuzen von Resistenzen aus Wildarten des Salats auf den Markt. Die Beschreibung immer neuer physiologischer Pilzrassen schritt in der Folge voran. Um die Übersicht über die wachsende Anzahl Pilzrassen zu behalten, existiert seit 2001 eine standardisierte Nominierung neuer Rassen durch das IBEB (International Bremia Evolution Board). In diesem Board sind sowohl die bedeutenden Salatzüchtungsfirmen als auch Forschungsinstitutionen vertreten mit dem Ziel einer einheitlichen Rassenbeschreibung. Seit Bestehen des IBEB sind über 8400 Pilzisolate geprüft und bisher 41 unterschiedliche Pilzrassen nominiert worden (Stand Winter 24/25). Im langjährigen Schnitt kommen etwa 1-2 neue Rassen pro Jahr hinzu. Damit eine neue Rasse nominiert wird, muss diese in mehreren Jahren und Regionen auftreten, die Resistenz bisher vollresistenter Sorten durchbrechen und ein reproduzierbares Verhalten in der Isolatprüfung zeigen. 

frisch sporulierender falscher Mehltau an Salat in der Saison 2023
Frisch sporulierender Falscher Mehltau an Salat in der Saison 2023

 

In der Resistenzzüchtung gegen den Falschen Mehltau an Salat macht man sich mehrheitlich eine sehr spezifische Art der Resistenz zu Nutzen. Diese beruht auf der Erkennung von pilzrassenspezifischen Proteinen (Effektor-Protein) durch die Pflanze. In der Pflanze werden während der Infektion diese Effektorproteine durch pflanzliche Proteine erkannt und Abwehrreaktionen werden eingeleitet, was sich äusserlich als gesunde Pflanze zeigt. Die pflanzlichen Proteine sind dabei spezifisch für einzelne Effektoren und müssen "matchen", damit es zur Erkennung und damit zur Resistenz kommt. Dieses Muster wird mit der sogenannten Gen-für-Gen-Hypothese beschrieben und ist bei verschiedenen Pflanzenkrankheiten bekannt (z.B. der Samtfleckenkrankheit der Tomate). Nützlich für die Züchtung ist nun, dass die genetische Information für diese pflanzliche Erkennung auf einzelnen Genen gespeichert ist und nicht wie bei einer unspezifischen Resistenz auf vielen Genen. Diese Resistenzgene können während der Züchtung durch genetische Marker gut verfolgt und entsprechend gut in neue Kultursorten hineingezüchtet werden. Nachteil dieses Ansatz ist, dass dadurch ein hoher evolutionärer Selektionsdruck auf den Schadpilz ausgeübt wird. Pilzrassen mit abgeänderten Effektorproteinen, die durch die Pflanzen nicht erkannt werden, haben einen evolutionären Vorteil. Die Verbreitung neuer Rassen wird so beschleunigt. Man befindet sich quasi in einem konstanten Wettlauf zwischen Resistenzzüchtung und Rassenentwicklung, weshalb sich auch die in der Praxis angebauten Salatsorten schnell ändern. Beim Salat ist vor jeder Anbausaison ein wichtiges Entscheidungskriterium, ob die Sorten den aktuellsten Resistenzschutz aufweisen. Denn sofern die Resistenzen nicht durchbrochen werden können, bieten sie einen sehr guten Schutz gegen den Falschen Mehltau. 

Resistenzgene aus verschiedenen Wildarten

Gegen Bremia lactucae sind insgesamt über 50 Resistenzgene bekannt. Diese befinden sich auf 6 verschiedenen Resistenzclustern. Quelle dieser Resistenzgene sind zum einen alte Sorten und zum anderen verschiedene wilde Arten der Gattung Lactuca (L. serriola, L. saligni, L. virosa). Neuere Resistenzquellen stammen zudem aus den Arten L. georgica, L. aculeata und L. altaica, Arten aus dem mittleren Osten bzw. der mittelasiatischen Steppe. Die Einkreuzung neuer Bremia-Resistenzen in die Salatsorten erfolgt bisher mittels klassischer Züchtungsmethoden, unterstützt durch Markertechnologie zum raschen "Nachverfolgen" der gewünschten genetischen Information in den Kreuzungen. 

Potential der Züchtung nutzen

Die Resistenzzüchtung gegen den falschen Salatmehltau ist nur ein Beispiel von vielen aus der Gemüsewelt. Auch bei der Bekämpfung des Falschen Mehltaus bei Spinat, gegen Fusarien in verschiedensten Kulturen, gegen die Rhizomanie (viröse Wurzelbärtigkeit) bei Randen usw. stellen resistente und tolerante Sorten einen wichtigen Baustein in der Bekämpfung dar. Im Gemüsebau hat man verglichen mit den Dauerkulturen als Anbauer den Vorteil die Sorten sehr rasch zu wechseln, wenn diese verfügbar sind. Weil meist nicht unter dem Sortennamen vermarktet wird, stehen auch keine markttechnischen Hindernisse im Weg um neue Sorten schnell an die Front zu bringen. Durch eine sich verengende Wirkstoffpalette bei den Fungiziden werden die anderen Bekämpfungsmethoden in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Die Pflanzenzüchtung wird im Gemüsebau daher noch wichtiger werden als sie bisher schon ist. Diese Aussage gilt im Prinzip unabhängig davon welche Technologien, Methoden und Herangehensweisen in der Züchtung angewendet werden. Biologische Züchtungsfirmen verfolgen z.B. aufgrund der oben genannten Nachteile der spezifischen Resistenzen häufig einen leicht anderen Ansatz in der Resistenzzüchtung; jenen der unspezifischen Resistenzen oder Feldresistenzen. Diese beruhen auf genetisch breit abgestützten Eigenschaften, meist auf veränderten Pflanzenstrukturen (z.B. dickere Wachsschichten etc.). Diese Resistenzen sind zwar in der Regel stabiler, allerdings meist auch nur unvollständig und schwieriger in bestehende Kultursorten zu übertragen. 

Die Pflanzenzüchtung stellt ein grosses Potential im Pflanzenschutz bei Gemüsekulturen dar. Wie die verschiedenen Züchtungstechniken, einschliesslich der neuen Züchtungsmethoden, angewendet werden und nebeneinander koexistieren können, ist von den rechtlichen Rahmenbedingungen abhängig. Das wiederum ist letztlich ein politischer Entscheid. Der Gemüsebau ist auf alle Fälle prädestiniert das züchterische Potential breit nutzen zu können.