Feuerbrand: Rückblick 5-Länder-Treffen am Bodensee
Der Feuerbrand stellt heute nicht mehr dieselbe akute Bedrohung dar, wie vor rund 15 Jahren, als sich die Schweizer Kernobstbranche in ihrer Existenz gefährdet sah. Dennoch bleibt das Bakterium Erwinia amylovora in der Schweiz präsent und führt immer wieder zu Ausbrüchen. Die Krankheit ist nicht ausgerottet und selbst einzelne infizierte Pflanzen besitzen das Potenzial, Erwerbsanlagen erheblich zu schädigen. Daher ist eine kontinuierliche Überwachung der Befallssituation und das frühzeitige Ergreifen gezielter Massnahmen entscheidend, um grossflächige Ausbrüche zu verhindern.
Am 12. und 13. November fand das jährliche durchgeführte, internationale Feuerbrandtreffen mit Fachleuten am Bodensee statt. Personen aus der Beratung und Forschung aus Österreich, Italien, Deutschland und der Schweiz tauschten sich über aktuelle Entwicklungen und Erfahrungen aus. Auch die Fachstelle Spezialkulturen des Strickhofs, welche die Feuerbrand-Kontrolleure im Kanton Zürich betreut und über Blütenprobenahmen sowie Beratung die kantonale Lage im Blick behält, war vertreten.
Lageberichte aus den Ländern
Am ersten Nachmittag präsentierten die Delegationen die Situation in ihren Regionen. Neben jeweiligen Wetterverläufen und den daraus abgeleiteten Prognosebedingungen für Infektionen standen konkrete Fallbeispiele im Zentrum. Auf dieser Grundlage wurden die angewandten Bekämpfungsstrategien vorgestellt und deren Wirksamkeit diskutiert. Insgesamt zeigte sich: Nach einem intensiven Feuerbrandjahr 2024 verlief 2025 vergleichsweise ruhig. Während der Blüte herrschten vielerorts nur mässig günstige Bedingungen für Infektionen. Denn das Bakterium vermehrt sich unter warmen Temperaturen über 18 °C und hoher Luftfeuchtigkeit besonders stark. Über Blüten kann es in die Leitbahnen von Apfel, Birne und Quitte sowie anderen Wirtspflanzen eindringen, wobei Bestäuber die Verbreitung zusätzlich fördern. Die Blütezeit bleibt somit die kritischste Phase im Jahresverlauf. Infektionen sind jedoch nicht nur über Blüten möglich. Auch aus sogenannten Cankern – krebsartigen Stellen an verholzten Pflanzenteilen, wo Bakterien überwinterten – können Feuerbrandbakterien austreten und über Wunden in junge Triebe eindringen. Ebenso kann Bakterienschleim an jungen Trieben gebildet und weiterverbreitet werden. Ein eindrückliches Beispiel aus Deutschland zeigte, wie ein Hagelereignis frische Verletzungen verursachte, welche von den Bakterien als Eintrittspforte genutzt wurden und schliesslich die Rodung notwendig machte. Mehrere Beratungsstellen berichteten zudem von Neuinfektionen in Parzellen, die zuvor nicht im Verdacht standen. Statt ausschliesslich bekannte Befallsherde zu reaktivieren, gelang dem Erreger in manchen Regionen der Sprung in völlig neue Gebiete. Was auch zeigt, dass die Massnahmen, welche in befallenen Anlagen getroffenen werden, erfolgreich sind und den Feuerbrand zu tilgen vermögen.
Situation im Wallis
Besonders eindrücklich war der Lagebericht aus dem Wallis. Während das Tal von der ersten grossen Feuerbrandwelle Anfang der 2000er-Jahre in der Schweiz verschont geblieben war, werden seit 2019 zunehmend starke Fälle registriert. 2024 waren über 100 Hektaren der insgesamt 1250 Hektaren Kernobstanbaufläche betroffen – eine verheerende Situation. Für 2025 hoffte man, einige Gebiete durch gezielte Massnahmen wie Blütenmonitoring, Pufferzonen, Behandlungen während kritischer Blühphasen sowie der Entfernung von Weissdorn und anderen Wirtspflanzen weitgehend schützen zu können. Die frühe Infektionswelle verlief tatsächlich moderat, doch unerwartet kam es zu einer Vielzahl von Fällen im westlichen Anbaugebiet. Vermutlich wurden spätere Nachblüten unzureichend geschützt, denn es waren vor allem Frühjahrsneupflanzungen betroffen. Die Fachleute waren sich einig, dass das händische Entfernen von Spät- und Nachblüten eine der zuverlässigsten, aber auch aufwendigsten Präventionsmassnahmen in Junganlagen darstellt.
Präsentationen aus der Forschung
Im Anschluss an die Beratungsberichte folgten Fachvorträge zum Monitoring. Interessante Ansätze aus Italien wurden präsentiert, wobei die Pollenhöschen von Honigbienen auf Feuerbrandbakterien untersucht werden. Weiter wurde über das Blütenmonitoring berichtet, das wertvolle Hinweise zur tatsächlichen Infektionslage im Feld liefert.
Der zweite Tag widmete sich primär der Forschung. Diskutiert wurden unter anderem chemische Bekämpfungsmöglichkeiten während der Blüte. Die Schweiz verfügt über eine breitere Palette an zugelassenen Mitteln als andere Länder: Dazu gehören Präparate auf Basis von schwefelsaurer Tonerde, Kaliumaluminiumsulfat oder nützlichen Hefepilzen, die Blüten als Platzhalter besiedeln. Ergänzend gibt es Mittel mit Teilwirkung. In Deutschland und der Schweiz werden jährlich unter kontrollierten Bedingungen neue Wirkstoffe geprüft. Agroscope präsentierte vielversprechende Kombinationen, unter anderem mit einer neuen, leistungsfähigen Hefe.
Auch die Sortenwahl beeinflusst das Risiko: Späte Blüher und Sorten mit ausgeprägter Neigung zu Nachblüten sind anfälliger. Im Projekt FAIRDI wurden entsprechende Zusammenhänge untersucht. Aus den USA wurde zudem über Sorten berichtet, deren Blüten nach einer Infektion mit Erwinia amylovora abfallen und so das Eindringen in die Leitbahnen verhindern. Ergänzend wurden verschiedene – teils innovative, teils umstrittene – Behandlungsansätze vorgestellt, darunter auch die Behandlung mit Antibiotika.
Ausblick
Feuerbrand wird den Obstbau weiterhin begleiten. Um Infektionen frühzeitig zu erkennen, müssen potenzielle Bakterienquellen wie alte Befallsstellen an Birnenbäumen, Weissdornen oder anderen Wirtspflanzen regelmässig kontrolliert werden – insbesondere in der Nähe von Erwerbsobstanlagen. Verdachtsfälle sollten rasch gemeldet werden, um mit Massnahmen wie gezieltem Rückschnitt oder gegebenenfalls mit einer Behandlung während der Blüte in Produktionsanlagen reagieren zu können. Die Fachstelle Spezialkulturen am Strickhof bleibt wachsam und unterstützt weiterhin im Umgang mit Feuerbrand.