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Publikumsmagnet waren die attraktiv gestalteten Marktstu00e4nde. Hier im Bild der Marktstand von Michael Haab dem spu00e4teren Gewinner des Wettkampfs. >

Ein Blick zurück in die Anfänge des Zürcher Gemüsebaus

Gemüse ist bei den Detailhändlern Aushängeschild, Sympathieträger und Marketinginstrument in einem. Anders als z.B. beim Weinbau ist die kulturhistorische Herkunft des Gemüsebaus sowie dessen Auslobung in der Vermarktung aber eher weniger ein Thema. Eigentlich schade, wie eine einfache KI-Suche zeigt.

Die Kaffeepausen mit meinen Kollegen aus dem Weinbau waren der Auslöser zu diesem Artikel. Verglichen mit dem Weinbau hat man das Gefühl, der Gemüsebau habe eine weit weniger imposante und interessante Herkunftsgeschichte. Bei genauem Hinschauen lassen sich aber auch im Gemüsebau spannende Geschichten finden. In Zeiten von KI lässt sich das "World Wide Web", insbesondere das Staatsarchiv des Kantons Zürich sowie das historische Lexikon der Schweiz zudem innert Sekunden durchforsten und interessante Quellen können so schnell zutage gefördert werden.

 

Frühe Erwähnungen in der Marktordnung der Stadt Zürich 

Eine der ersten wirklich konkreten Referenzen auf gemüsebauliche Aktivitäten im Kanton lässt sich in der städtischen Marktordnung finden. Im Jahr 1789 erlässt die Stadt Zürich eine "Ordnung über den Verkauf und Vorkauf aller Gattungen von Garten-Gewächsen, Obst und anderen Lebens-Mitteln, zu Stadt und Land überhaupt, und auf unserem Markt auf der Unteren Brücke insbesonders". Mit dem Ausdruck "Gattungen von Gartengewächsen" dürfte wohl in etwa das gemeint sein, was wir heute unter dem Begriff Gemüse verstehen. Das ist zum Einen ein Beleg dafür, dass die städtischen Wochenmärkte in der Tat auf eine jahrhundertealte Geschichte zurückblicken können. Zum Andern zeigt die damalige Marktordnung auf, wie sich gewisse Streitpunkte im Gemüsehandel über die Jahrhunderte offenbar wenig geändert haben. So wurde z.B. für das gesamte zürcherische Gebiet der "Fürkauf" (Veralteter Begriff für spekulativen und preistreibenden Zwischenhandel) und der wucherische Kauf verboten. Ebenfalls wurde minutiös festgehalten, welche Massbehältnisse für Gartengewächse zulässig sind ("Mässli, Tansen, Viertel, Zeinen").  Dem "Fürkaufkommission" wurde sogar die Befugnis erteilt zu hohe Preise herabzusetzen. Aus heutiger Sicht sehr drakonisch erscheint das Verbot, Personen die Fürkauf und Wucher betreiben zu beherbergen. Zum Schmunzeln ist vor allem die Formulierung: "... werden alle und jede unsere Angehörigen zu Stadt und Land verwarnet, den schandlichen Fürkäufern Unterschlauf zu geben, und ihren Wucher durch Hilfgehaltung oder Einstellung der Waaren nicht zu befördern" . Der Gemüsehandel war offenbar schon vor mehr als 230 Jahren ein hartes Geschäft!

Marktordnung für den Gemüsemarkt der Stadt Zürich aus dem 18 Jahrhundert. Quelle: Staatsarchiv Zürich
Marktordnung für den Gemüsemarkt der Stadt Zürich aus dem 18 Jahrhundert. Quelle: Staatsarchiv Zürich

 

Vorindustrielle Zeit

In vorindustrieller Zeit war der gewerbliche Handel mit Gemüse auf den unmittelbaren Nahbereich grösserer Städte, wie z.B. Zürich beschränkt. In den Landgebieten des Kantons spielte der Gemüsebau zwar seit jeher eine grosse Rolle zur Selbstversorgung, bis Mitte des 19. Jahrhundert wurde Gemüse aber noch nicht im grösseren Stil gewerblich angebaut. Der Gemüsebau spielte sich in den Landregionen in erster Linie im "Bauerngarten" ab, deren Gestaltung sich den Moden und den Bedürfnissen der Zeit anpasste. So stand in Zeiten des Aufschwungs eher der ästhetische Wert und in Notzeiten der Nutzwert des Gartens im Vordergrund. Für Leute ohne eigenen Landbesitz wurde daneben seit der frühen Neuzeit mancherorts ein Stück Allmendland zugewiesen, welches die Land- und Mittelosen dann individuell bepflanzen konnten. Auf diesen verpachteten "Pflanzblätzen" lagen die einzelnen Beete der Besitzer unmittelbar nebeneinander. Wenn man will, kann man in dieser Form des Gemüsebaus in gewisser Weise den Vorläufer der viel später aufkommenden Schrebergartenbewegung oder auch neueren Formen wie gemeinschaftliches Gärtnern, SOLAWI etc. erkennen. 

Das historische Lexikon der Schweiz weist aber darauf hin, dass bereits in vorindustrieller Zeit Gemüse nicht ausschliesslich in Gärten angebaut wurde, sondern auch ihren Platz auf den Ackerflächen hatte ("Besömmerung der Brachflächen"). Als Vor- und Nachfrüchte eigneten sich gewisse Kulturen besonders gut. Von Zürcher Bauern ist etwa die Ansaat von Herbstrüben oder "Räben" (Brassica rapa ssp. rapa) in die frisch umgepflügten Äcker nach der Roggen- oder Gerstenernte im 18. Jh. belegt, dürfte aber bereits weit früher praktiziert worden sein. Der Brauch der Räbenlichterumzüge hat sich im Kanton Zürich bekanntermassen auch besonders gut gehalten. Einen ähnlichen Ursprung als "Stoppelfrucht" nach dem Wintergetreide hat übrigens auch der für die Schweiz so typische Nüsslisalat. 

Gemüsegürtel im Gebiet Heuried zwischen Albisrieden und Wiedikon im Jahr 1932 links und Luftbild 2022- Quelle: Bundesamt für Landestopographie
Gemüsegürtel im Gebiet Heuried zwischen Albisrieden und Wiedikon im Jahr 1932 rechts und Luftbild 2022. Quelle: Bundesamt für Landestopographie

 

Beginn des gewerblichen Gemüsebaus

Mit der Industrialisierung wuchsen auch die Städte wie Zürich und Winterthur. In ihnen lebten zunehmend landlose Industriearbeiter, die auf den Kauf von Nahrungsmitteln angewiesen waren. Erste vollberufliche Gemüsegärtnereien entstanden in und um die Stadt Zürich herum ca. um das Jahr 1880. Der Gemüsebau fand damals noch in Stadtnähe wie etwa dem noch nicht eingemeindeten Wiedikon oder am rechten Zürichseeufer statt. Die Ursprünge des modernen, gewerblichen Frischgemüsebaus im Kanton liegen also nicht etwa in den ländlichen Regionen des Kantons sondern vornehmlich in Orten, die wir heutzutage klar dem urbanen Raum zuteilen würden. In dieser Zeit wurden nebst traditionellen Kulturen wie Kabis oder Zwiebeln auch zunehmend feinere Gemüsearten wie Kohlrabi, Bohnen oder Blumenkohl angebaut. In die 1880er Jahre fallen auch die ersten archivierten Konkursanzeigen von "Gemüsegärtnern" und "Gemüsehändlern", die im Staatsarchiv gesammelt sind. So wird etwa der Konkurs eines Gemüsegärtners R. Suter aus Riesbach-Zürich im Jahr 1882 angezeigt. Ein Beleg dafür, dass es sich hier effektiv um hauptberufliche Gemüsegärtnereien gehandelt haben muss. 

Nahaufnahme des Gemüsebaus im Gebiet Heuried zwischen Albisrieden und Wiedikon im Jahr 1932 links und Luftbild mit Wohnbauten im Jahr 2022. Quelle: Bundesamt für Landestopographie
Nahaufnahme des Gemüsebaus im Gebiet Heuried zwischen Albisrieden und Wiedikon im Jahr 1932 links und Luftbild mit Wohnbauten im Jahr 2022. Quelle: Bundesamt für Landestopographie

 

Ähnliche Themen damals wie heute

Auf den 13. September 1894 datiert ein Regierungsratsbeschluss, welcher einem Ansuchen einer "Anzahl Gärtner" auf staatliche Hilfe und Entschädigung der Schäden des "Hochgewitters der Nacht vom 1. auf den 2. September" eine Abfuhr erteilte. Begründet wurde dieser Entscheid übrigens dadurch, dass die Gärtner ihre Kulturen durchaus bei der in dieser Zeit neu gegründeten schweizerischen Hagelversicherung hätten versichern können. Für die Gewächshäuser gebe es des Weiteren ebenso Versicherungen gegen Glasbruch. Sehr ähnlich gelagerte Diskussionen um staatliche Entschädigungen bei nicht versicherbaren Elementarschäden beschäftigen unsere Fachstellen bis zum heutigen Tag.

In der Gemeindechronik von Niederhasli lässt sich ein interessanter Bericht über die Zeit des letzten Viertels des 19. Jh finden. Zu dieser Zeit der allgemeinen Agrarkrise standen die Bauern im benachbarten Oberhasli finanziell offenbar viel besser da als die Bauern in Niederhasli. Als Begründung dafür wird vor allem der Verkauf von Gemüse der Oberhasler in die Stadt Zürich angefügt. Von den Oberhaslern wird berichtet, dass diese "... bis spät in die Nacht hinein Gemüse rüsteten, dann noch schnell vor das Bett hinknieten, und wenn sie vor Müdigkeit umfielen, wieder aufstünden, um auf den Markt zu fahren...".  Der Neid auf die erfolgreiche Gemüsegärtnerei ist also auch keine neue Erfindung... 

Durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes wurde jedoch für die ersten Gemüsebetreibe schon sehr rasch die Konkurrenz durch den Importhandel ein ernstzunehmendes Problem. Schon viel früher als auf nationaler Ebene gründete sich deshalb bereits 1906 in Zürich der "Verband der Gemüsegärtnerei-Inhaber von Zürich und Umgebung (GVZ)"; Eine Vereinigung die bis zum heutigen Tag bestand hat. Die Festschrift zum 100- jährigen Bestehen der GVZ aus dem Jahr 2006 von Henri Leuzinger ist übrigens eine wahre Fundgrube, die interessante Einblicke in den Gemüsebau um die Jahrhundertwende im Kanton gibt. Verblüffend ist insbesondere, welche Themenfelder in den ersten Protokollen der GVZ abgehandelt wurden. Auch damals waren der Druck durch Importware, die Verfügbarkeit von Arbeitskräften sowie die Marktordnung bereits bestimmende Themen.

Selbst das Thema Bewässerung und der Zank um die Wasserrechte war offenbar schon vor mehr als 100 Jahren ein Thema bei den Gemüsegärtnereien wie ein Regierungsratsbeschluss aus dem Jahr 1912 zeigt. In einem Fall aus dem "Oberdorfe Herrliberg" musste die Kantonsregierung per Regierungsratsbeschluss den Konflikt zwischen einem Gemüsegärtner, der eigenständig eine Bewässerungsleitung aus dem Dorfbach erstellte und einer Einsprecherin, welche Bachabwärts eine Seidenwinderei mit kleiner Wasserkraftanlage betrieb, beilegen. Haargenau wurde damals dem Gärtner die nutzbare Wassermenge, die Bauweise der neu zu erstellenden  Wasserfassung sowie der Rückbau der eigenmächtig erstellten Leitung per Beschluss auferlegt. Gewisse Dinge ändern sich offenbar nie! 

 

Gemüsemarktstand mit vielfältiger Auslage
Gemüsemarktstand mit vielfältiger Auslage anlässlich der SwissSkills 2025. Foto: Daniel Bachmann, Strickhof