Wie züchte ich effiziente Weidekühe?
Bio-KB-Stiere
Die Richtlinien von Bio Suisse schreiben vor, dass Wiederkäuer 100% Schweizer Knospe-Futter fressen, wovon maximal 5% Kraftfutter sein dürfen (ca. 300 kg pro Kuh und Jahr). Auch auf Bio-Betrieben werden etwa 90% der Kühe künstlich besamt. Deshalb wurde das Projekt «Bio-KB-Stiere» auf die Beine gestellt, damit Swissgenetics Genetik von Zuchtlinien aus Bio-Betrieben anbieten kann. Um geeignete Stierkälber auszuwählen, wurden Bedingungen für die Betriebe, für die Stierenmütter und für die Stierkälber definiert. Die Herkunftsbetriebe müssen Milchleistungsprüfungen machen, den Gesundheitsstatus erfassen, maximal 300 kg Kraftfutter pro Kuh füttern und während der Vegetationsperiode weiden, so dass mindestens 50% der Ration von der Weide stammt. Für die Auswahl der Stierenmütter steht Langlebigkeit, eine ausgezeichnete Gesundheit und Fruchtbarkeit bei angemessener Milchleistung im Vordergrund. Deshalb werden die Zellzahlen, die Zwischenkalbezeit, die Beurteilung des Euters und des Fundaments berücksichtigt sowie die Anzahl Laktationen der Stierenmutter, ihrer Mutter und ihrer Mutters Mutter. Das Ziel ist klar: kleinere und somit leichtere Kühe. Auch bei den jungen Stieren werden Merkmale überprüft, die in der gängigen Zuchtwertschätzung keine Rolle spielen. Es wird beobachtet, ob die Stiere auf der Weide fleissig fressen oder sich leicht ablenken lassen. Während der Aufzuchtphase wird einmal monatlich der Kot ausgewaschen. Dabei wird festgestellt, wie viele Fasern übrigbleiben. Bei guten Raufutterverwertern befinden sich weniger Fasern im Kot. Im Frühling 2021 konnten die ersten Samendosen der ausgewählten Bio-KB-Stiere angeboten werden. Im neusten Katalog von Swissgenetics sind zwölf Bio-Stiere der Rassen Brown Swiss, Original Braunvieh, Swiss Fleckvieh und Simmental aufgelistet.
Der monetäre Swiss Index (SWI)
2015 wurde die Interessengemeinschaft (IG) neue Schweizer Kuh gegründet mit dem Ziel, die Zucht von gesunden, effizienten Milchkühen für eine wirtschaftliche Milchproduktion auf der Basis von Grasland zu fördern. Für eine rentable Milchproduktion sind Eigenschaften wie Langlebigkeit, Fruchtbarkeit, Gesundheit, Robustheit, Stoffwechselstabilität sowie Futtereffizienz von zentraler Bedeutung. In Zusammenarbeit mit IP-Suisse und unter der Leitung der HAFL hat die IG den monetären Swiss Index (SWI) erarbeitet. Mit Hilfe der Daten von 7'264 Kuhjahren auf 37 Milchwirtschaftsbetrieben mit graslandbasierter Milchproduktion wurde der vergleichbare Deckungsbeitrag pro Kuh und Jahr berechnet. Auf der Ertragsseite wurden der Milcherlös und der Erlös aus dem Tierverkauf berücksichtigt, der von der Nutzungsdauer und der Zwischenkalbezeit abhängt. Auf der Kostenseite wurden die Remontierung, das Ergänzungsfutter, die Besamungen und die nötigen Behandlungen einbezogen. Schliesslich wurden die Merkmale und ihre Gewichtung für die Berechnung des monetären SWI bestimmt. Die Milchproduktionsmerkmale Fett- und Proteinmenge sowie der Proteingehalt werden positiv bewertet. Die Fitnessmerkmale Zellzahl, Mastitisresistenz, Nutzungsdauer, Fruchtbarkeit und Persistenz haben zusammen eine Gewichtung von 48%. Die Zuchtwerte für Fundament und Euter werden positiv bewertet, die Kreuzbeinhöhe klar negativ. Bei Zweinutzungsrassen wird zusätzlich der Fleischindex berücksichtigt. Schliesslich resultiert der monetäre Swiss-Index-Zuchtwert, der als Frankenwert angegeben wird.
Die IG neue Schweizer Kuh publiziert Zuchtwerte für Stiere der Rassen Holstein, Red Holstein, Swiss Fleckvieh, Simmental, Original Braunvieh und Braunvieh. Auch die oben genannten Bio-KB-Stiere wurden nach dem SWI monetär klassiert.
Stierenempfehlung nach monetären Swiss Index
Rotationskreuzung
In der Schweiz ist die Gebrauchskreuzung beim Milchvieh wenig verbreitet, obwohl dank der Kreuzung von verschiedenen Rassen vom Heterosis-Effekt profitiert werden kann. Die Kreuzungstiere weisen bessere Eigenschaften im Vergleich zum Durchschnitt der Elterntiere auf. Der Heterosis-Effekt ist umso grösser, je weniger verwandt die Rassen sind und je tiefer die Erblichkeit des Merkmals ist. Gerade die funktionellen Merkmale wie Persistenz, Langlebigkeit, Stoffwechseltoleranz oder Fruchtbarkeit haben eine tiefe Erblichkeit. Wenn nur mit Tieren der ersten Generation (F1) gearbeitet wird, ist man allerdings abhängig vom Zukauf der Nachzucht. Deshalb wird auf einigen Bio-Betrieben der Ansatz der Rotationskreuzung angewandt. Dabei wird mit den Kreuzungstieren weitergezüchtet, um rasch robustere Tiere zu haben, die gute Leistungen unter den jeweiligen Betriebsbedingungen erbringen. Für eine erfolgreiche Umsetzung braucht es eine klare Strategie mit Zielwerten. Dann werden drei Rassen mit ähnlich grossen Tieren und unterschiedlichen Stärken ausgewählt. Es wird empfohlen, die besten Stiere der jeweiligen Rassen einzusetzen. Da die Informationen von drei verschiedenen Rassen beurteilt werden müssen und von den Kreuzungstieren keine Zuchtwerte vorhanden sind, ist der Aufwand etwas grösser.
3-Rassenkreuzung auf dem Sonnhaldenhof in St. Urban (LU)
Marc Grüter vom Sonnhaldenhof in St. Urban (LU) melkt 110 Kühe. Bei der Umstellung auf Bio im Jahr 2016 war es eine Herausforderung aus Holsteinkühen mit 10'000kg Milchleistung kleine, gesunde, robuste und effiziente Weidekühe zu züchten, die Milch mit hohen Inhaltstoffen produzieren. Marc Grüter verwendet Irische Holstein/Swiss Fleckvieh, Kiwicross und Norwegisches Rotvieh. Die Stärken von Holstein sind die Milchleistung, das Fundament und die Bemuskelung. Die Kiwicross haben eine gute Fruchtbarkeit, hohe Milchinhaltsstoffe und sind auf Weidetauglichkeit selektiert. Dank der langjährigen Erhebung der Gesundheitsdaten liegt die Stärke des Norwegischen Rotviehs bei der Gesundheit, insbesondere beim Euters und bei den Klauen. 2018 wogen die Kühe auf dem Sonnhaldenhof im Durchschnitt 67 kg und gaben 7'659kg Milch. Fünf Jahre später wiegen die Kühe durchschnittlich 550kg und geben 7'635kg Milch. Somit ist die Milchleistung pro kg Körpergewicht von 11.3kg auf 13.9kg gestiegen. Das Interesse und die Offenheit von Marc Grüter etwas Neues zu probieren, hat schnell Resultate gezeigt.