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Geerntetes Karottensaatgut bei Zollinger Samen>

Wie sieht das Saatgut von Morgen aus?

Es soll Zeiten gegeben haben, da haben die Gemüsegärtner ihre eigenen Landsorten angebaut und auch weitervermehrt. Mittlerweile ist sowohl die Saatgutproduktion als auch ein Grossteil der Jungpflanzenanzucht aus den Produktionsbetrieben verschwunden. Welches Know-how ging hier verloren? Und macht man sich so Abhängig von Grosskonzernen?

Wie sieht das Saatgut von Morgen aus? 

Es soll Zeiten gegeben haben, da haben die Gemüsegärtner ihre eigenen Landsorten angebaut und auch weitervermehrt. Mittlerweile ist sowohl die Saatgutproduktion als auch ein Grossteil der Jungpflanzenanzucht aus den Produktionsbetrieben verschwunden. Welches Know-how ging hier verloren? Und macht man sich so Abhängig von Grosskonzernen? 

Im Zeichen dieser Fragestellungen fand anlässlich des 42. Weiterbildungsseminars für Betriebsleiter des VSGP in Samnaun der Dienstagmorgen statt. Referenten zum Thema waren Tizian Zollinger von Zollinger Bio-Samen, Wim Soppe von der Firma Rijk Zwaan, und Wolfgang Ott von Syngenta. 

Tizian Zollinger als Vertreter eines privat geführten kleinen Bio-Züchtungsbetriebs stellte in seinen Ausführungen in einfacher Weise die klassische Selektionszüchtung, die Hybridzüchtung, die frühe Gentechnik bis hin zu neuen Züchtungstechniken (Stichwort Genome-Editing) vor. Er stellte dabei insbesondere die Bedeutung der genetischen Vielfalt als Grundlage einer jeden Pflanzenzüchtung in den Mittelpunkt. Nur mit vielen verschiedenen Bausteinen könne man komplexen, lokalen Sortenansprüchen gerecht werden. Es sei im Prinzip wie beim Lego spielen: Wenn nur wenige verschiedene Bausteine zur Verfügung stehen, sind die daraus konstruierten Legohäuser immer in etwa die gleichen. Deshalb ist die Firma Zollinger auch aktiv an Bundesprojekten zur Erhaltung der genetischen Vielfalt beteiligt. Letztes Jahr etwa wurden verschiedenste Auberginensorten auf die agronomische Anbaueignung, Gehalt und Geschmack hin überprüft. Der Anbau der alten Landsorten sei dabei essentiell: «Das blosse einfrieren der genetischen Vielfalt in einer Saatgutbank ist langfristig keine Lösung». Differenziert äusserte sich Zollinger bezüglich der neuer Züchtungstechnologien. Für Ihn zählen die «klassischen» Anwendungen der Gentechnik, wie z.B. Herbizidresistenzen in Mais etc. mittlerweile zum Schnee von gestern. Bei neuen Techniken wie der «genetischen Schere», bei welcher im Endprodukt der genetische «Eingriff» nicht mehr nachweisbar ist könne man sich als Gesamtbranche schon berechtigte Fragen zum möglichen Nutzen stellen. 

Saatgutproduktion: Ein weltweites Unterfangen

In ganz anderen Massstäben operiert die Firma Rijk Zwaan, eine private Saatgutfirma die sich 100 % der Entwicklung von Gemüsesaatgut verschrieben hat.  Wim Soppe, Leiter Saatgutforschung bei Rijk Zwaan, zeigte auf, dass die eigentliche Saatgutproduktion (Vermehrung) über den ganzen Erdball verteilt ist. Von Neuseeland über Tansania bis Chile oder Mexiko. Die Forschung und Entwicklung von neuen Sorten und Saatguttechnologien beansprucht mittlerweile rund 40% der Arbeitskräfte bei Rijk Zwaan. Die Automatisierung hat dabei auch bei der Saatguttestung Einzug gehalten. So wird an einer Bildauswertungssoftware gearbeitet, welche die Keimungsraten bei Keimtests automatisch erfasst, was das Auszählen von Hand hinfällig macht. Neueste Pflanzenphysiologische Erkenntnisse fliessen zudem bei der Saatgutaufbereitung ein z.B. beim Aufstellen von sortenspezifischen «Primingprotokollen». Diese Protokolle beschreiben die Abfolge von Temperatur-, Feuchtigkeits- und Belichtungsverhältnisse bei der Saatgutpräparation um die Keimruhe soweit zu brechen, damit bei der Aussaat die Kultur zügig und gleichmässig auskeimt. Diese Abfolge sei je nach Sorte unterschiedlich. Um die Übertragung von Krankheitserregern über das Saatgut zu minimieren werden weiter Behandlungsmethoden durch Dampf oder auch durch Elektronenstrahlen in der Firma entwickelt.

Alles halb so schlimm im Saatgutmarkt bei Gemüse? 

Als letzter Referent widmete sich Wolfgang Ott von Syngenta der Frage, ob sich der Gemüsesaatgutmarkt zulasten der Vielfalt konzentriert habe. Eingehend stellte er die rhetorische Frage, wo das Problem denn genau liege. Mit etlichen Beispielen zeigte er auf, dass Konzentrationsprozesse in vielen Wirtschaftsbereichen oder bei den Supermärkten zum Teil viel rasanter stattfinden als im Gemüsesaatgutmarkt. Von der «kritischen» Grenze von weniger als 5 Anbietern sei man beim Gemüsesaatgut noch weit entfernt. Zwar seien in der Tat einige Züchter verschwunden bzw. von Multis geschluckt worden (Hild, De Ruiter…) auf der anderen Seite seien auch wieder neue Bewerber wie AXIA seeds, Agri Saaten, Tokita neu in den europäischen Markt eingestiegen. Die Eintrittsschwelle gerade bei Nischenartikeln sei nicht enorm hoch. Er unterteilt den Gemüsesaatgutmarkt grob in drei Gruppen. Diese Gruppen sind kleine-mittelgrosse private Züchter (z.B. Tozer seeds), internationale private Züchter (z.B. Bejo, Rijk Zwaan, Enza) und internationale Grosskonzerne wie z.B. Syngenta, Bayer oder Monsanto. Alle drei Gruppen hätten ihre Stärken und Schwächen welche insgesamt dafür sorgen, dass man nebeneinander bestehen kann. Seiner Einschätzung nach sei der Konkurrenzkampf im Gemüsesaatgutmarkt eher intensiver geworden. Zudem sei auch die Sortenvielfalt zumindest im Sortiment von Syngenta in den letzten 30 Jahren wieder grösser geworden. Eine aktive Rückmeldung der Produktion bezüglich der Anbaueignungen sei jedoch für jeden Züchter unerlässlich. In einem historischen Rückblick erwähnte Ott die Entwicklung der F1-Hybridzüchtung in den 1930er Jahren als ersten einschneidenden Selektionsprozess innerhalb der Saatgutanbieter. Im Zeitraum 1970-1990 sei es dann in Hinblick auf den grossflächigem GVO-Einsatz zu grossen Investitionen der Chemischen Industrie in den Saatgutmarkt gekommen. Diese Grossinvestitionen trugen wesentlich zur Internationalisierung der Saatgutanbieter bei. In der Zeit vor der Jahrtausendwende seien jedoch die gesetzgeberischen Grenzen der Gentechnik erkennbar geworden. Trotzdem habe diese «Goldrauschzeit» enorme Fortschritte in der Labortechnologie und auf dem Gebiet der Pflanzenphysiologie gebracht, welche man nach wie vor versucht züchterisch auszunutzen. Die grosse Herausforderung momentan sei vor allem die «Stapelung» verschiedenster Merkmale innerhalb einer einzigen Sorte. Oft seien einzelne Eigenschaften, wie z.B. Krankheitsresistenzen vorhanden, das Rückkreuzen dieser Eigenschaften in bewährte Sorten sei jedoch schwierig. Der technische Aufwand werde immer grösser weshalb ein Spezialisierungsprozess der Züchter auf verschiedene Produktegruppen (z.B. Kohlsegment) zu beobachten sei. 

In der anschliessenden Diskussion wurde auch das Thema der Exklusivrechte für den Anbau von Sorten angesprochen. Den Podiumsteilnehmer waren jedoch nur ganz vereinzelte Beispiele bekannt. Der Umstand, dass Gemüse selten über den Sortennamen vermarktet wird, dürfte einer der Hauptgründe sein, weshalb sich dieses System anders als im Obstbau nicht etablieren konnte. Insgesamt dürfen wir gespannt sein was aus den Sortengärten und Laborbänken der Züchter in Zukunft auf uns zukommen wird. An Ideen, so der subjektive Eindruck, fehlt es auf alle Fälle nicht.