Wädenswiler Weintage 2023 – Weinbereitung
Bereits jetzt sind in vielen Regionen die Auswirkungen des Klimawandels spürbar und angestammte Methoden der Weinbereitung stossen an ihre Grenzen. Die Suche nach Lösungen für die damit einhergehenden Probleme wird intensiv betrieben, nicht nur von Forschungsanstalten, sondern auch von privaten Weingütern und Kellereien.
Früherer Reifebeginn und steigende Alkoholgehalte
Gleich drei Referate befassten sich mit diesen Themen. Den Beginn machte Carsten Heinemeyer (2B Concept Consulting). Er erläuterte das Spannungsfeld zwischen früher Reife, hohen Alkoholgehalten, tiefen Säurewerten und deren Einfluss auf den Tanningehalt und die Fruchtigkeit der Weine. Immer häufiger muss früh gelesen werden, will man nicht zu hohe Zuckerwerte und damit Alkoholgehalte riskieren. Dies beeinträchtigt die Ausprägung der Tannine und führt – z. B. bei Blauburgunder – zu atypischen Weinen. Um dem entgegenzuwirken sind verschiedene Massnahmen möglich, unter anderem eine optimale Wasserversorgung, eine angemessene Bodenbedeckung oder auch eine angepasste Laubwandpflege. Aber auch im Keller können Vorkehrungen getroffen werden, um Fehlentwicklungen der Weine zu vermeiden. Besonders hervorgehoben wurden in diesem Zusammenhang die optimale Kellerhygiene, die kühle Verarbeitung des Traubenguts und die Sicherstellung der Hefe- und Bakterienaktivität durch ausreichende Nährstoffversorgung. Weitere Punkte waren ein angepasstes Phenolmanagement und die Möglichkeit der Ansäuerung.
Lebendige und frische Weine als Ziel
Im Anschluss stellte Jo Pfisterer (Weingut Alois Lageder) das Weingut Alois Lageder vor, welches eine Menge von ca. 1300 Tonnen Trauben einkellert. Das Weingut bewirtschaftet die Eigenflächen seit 2008 nach Demeter-Richtlinien, und ab 2024 werden auch alle Traubenlieferanten biologisch produzieren. Wichtig sind dem Önologen frische und lebendige Weine mit gutem Trinkfluss und einer gewissen Spannung. Dies zu erreichen ist nach eigener Aussage mit einigem Aufwand verbunden, da überwiegend Sorten für kühles Klima angebaut werden, obwohl im Produktionsgebiet eigentlich eher warmes Klima vorherrscht. Der optimale Erntezeitpunkt, damit die «Knackigkeit» der Beeren erhalten bleibt, ist für ihn der entscheidende Punkt, daher wurde der Traubenpreis auch vom Zuckergehalt entkoppelt. Und auch im Keller kommen verschiedene neue und alte Techniken – unter anderem die Ganztraubenpressung – zum Einsatz, um die Harmonie der Weine zu erhalten.
Entalkoholisierter Wein versus minimalistische Weinbereitung
Matteo Magno (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) stellte eine Technik zur Entalkoholisierung von Wein vor. In verschiedenen Versuchen wurden Teilmengen bzw. die Gesamtmenge eines Weines unterschiedlich stark entalkoholisiert. Der dafür eingesetzte Membrankontraktor dient eigentlich zur Be- und Entgasung von Flüssigkeiten und funktioniert nach dem Prinzip der osmotischen Destillation. Sensoriktests bestätigten in der Folge, dass eine Verringerung des Alkoholgehaltes von ein bis zwei Volumenprozent von den Testern nicht erkannt wurde. Wird stärker entalkoholisiert kann es jedoch zu beträchtlichen Aromaverlusten kommen und allenfalls vorhandene Fehlgerüche können verstärkt werden. Die Frage, welchen Sinn es hat, den Alkoholgehalt eines Weines zu verringern, wenn dies von den Testpersonen nicht positiv wahrgenommen wird, blieb am Ende unbeantwortet.
Völlig konträr dazu sprach Carsten Heinemeyer (2B Concept Consulting) über seinen Ansatz der minimalistischen Weinbereitung, bei der der Erhalt der Qualität bei geringstmöglicher Intervention im Vordergrund steht. Bei dieser Art der Weinherstellung ergeben sich zwar Vorteile bezüglich der Kosten und der Qualität, aber auch Herausforderungen im Anbau, da optimales Traubengut zur Verfügung stehen muss.
Rebbaukataster und Klimawandel
Markus Hungerbühler (Weinakademiker und Rechtsanwalt) erläuterte die Geschichte und Entwicklung des Rebbaukatasters seit seiner Einführung im Jahr 1954. Unter anderem waren regelmässige Überproduktion, schlechte Qualitäten, fehlende Lagerkapazitäten, Konkurrenz von Importweinen und ein ungünstiges Verhältnis von Rot- zu Weisswein Gründe, warum der Bund bereits seit Beginn der 1920er Jahre immer wieder veranlasst war, der Weinbranche finanziell unter die Arme zu greifen. Ziel der Einführung des Rebbaukatasters war es daher, schlechte Lagen aufzugeben und Sorten mit hoher Qualität zu pflanzen. In der Folge verlagerte sich der Weinbau mehrheitlich in die westlichen Gebiete der Schweiz und der Anteil an Rotwein stieg deutlich an.
Die folgenden Vorträge von Pierluigi Calanca (Agroscope) und Beat Felder (BBZN Luzern) hatten dann die Auswirkungen des Klimawandels auf die Weinbaugebiete des Neuenburger Sees und des Kantons Luzern zum Thema. Wobei in beiden Regionen ein ähnliches Ziel verfolgt wird, die bestehenden Rebbaugebiete sollten aus mesoklimatischer Sicht auf ihre Eignung für den Anbau von neuen Sorten beurteilt werden. Gleichzeitig sollten mögliche neue Reblagen identifiziert werden, die in Zukunft für die jetzt kultivierten Sorten geeignet wären.
Weitere Informationen
Martin Wiederkehr (BDW) informierte über das vergangene Verbandsjahr und die Ziele für 2023. Besonders herzlich hiess er das jüngste Verbandsmitglied – das Fürstentum Liechtenstein – im Verband willkommen. Auch die Studierenden des HF-Weinbautechniker Lehrganges kamen zu Wort. Silvio Kessler stellte die Möglichkeiten und Grenzen von Photovoltaik bei der Herstellung von energieautarkem Wein vor.
Welches Fazit kann man ziehen?
Sicher ist, der Weinbau und die Weinbereitung unterliegen einem ständigen Wandel, sei es wegen sich verändernden Umweltfaktoren, neu entwickelten Technologien, neuen rechtlichen Rahmenbedingungen oder sich wandelndem Konsumverhalten. Die gesamte Weinbranche wird sich an diese Veränderungen anpassen müssen und sie bestmöglich nutzen, wie bereits in der Vergangenheit.