Validierungsversuch Krankheitsmodell MillionCast in Zwiebeln 2020
Validierungsversuch Krankheitsmodell MillionCast in Zwiebeln 2020
Ausgangslage
Der falsche Mehltau (Peronospora destructor) ist die Hauptkrankheit im Zwiebelanbau. Die Pilzkrankheit kann ausgehend von wenigen primär infizierter Pflanzen innerhalb weniger Infektionszyklen den ganzen Bestand befallen. Die Bekämpfung mit den bewilligten Fungiziden erfolgt aus diesem Grund in der Praxis mehrheitlich vorbeugend. Anders als im Obst- und Weinbau werden wetterdatenbasierte Krankheitsmodelle im Schweizer Gemüsebau bisher wenig angewendet. Innerhalb des überkantonalen Projekts PFLOPF wurden für die Saison 2020 Wetterstationen der Firma Pessl Instruments angeschafft und konnten zusammen mit dem Krankheitsmodell MillionCast des falschen Zwiebelmehltaus auf der Onlineplattform FieldClimate (Pessl Instruments) verwendet werden. Das Krankheitsmodell modelliert durch die Parameter Lufttemperatur, relative Luftfeuchtigkeit, Blattnassdauer und Niederschlag dabei den Krankheitsverlauf in 4 Teilschritten:
1. Sporangien werden in der Nacht produziert (Blattfeuchte und Temperaturen zwischen 6°C und 24°C)
2. Sind Sporangien vorhanden und kommt es zu zusätzlichen Regen (Verbreitung der Sporangien auf Blätter) beginnt die Berechnung der Infektion (zwischen 6°C und 24°C)
3. Ist die Infektion bei 100% wurden optimale Bedingungen für den Krankheitserreger im Feld erreicht. Bei erfolgter Infektion erfolgt die Berechnung der Inkubationszeit
4. Inkubation (Zeit zwischen Infektion und Auftreten der Symptome im Bestand).
Diese Teilschritte werden im Modell in unterschiedlichen Verlaufskurven der Sporulationsbedingungen, der Infektionsbedingungen und der Inkubationszeiten dargestellt. Zudem wird bei den Infektionsereignissen jeweils noch errechnet, um welche Schwere von Infektion es sich handelt; 0 = milde Infektion bis 5 = schwere Infektion.
Versuchsfrage
Werden durch das Krankheitsmodell die für die Bekämpfung relevanten Infektionszeitpunkte zuverlässig und für die Praxis verständlich modelliert?
Methodik
Anzahl Standorte | Anzahl Versuchsjahre | Anzahl Wiederholungen | Art des Versuchs | Aussagekraft |
3 | 1 | 3 | Tastversuch | * * |
In der Saison wurden an 3 Standorten im Kanton Zürich Wetterstationen (Pessl Instruments; Modell iMetos® ECO D3) in Zwiebelkulturen aufgestellt. Die Luftfeuchte, Regenmenge und Lufttemperatursensoren wurden auf 2 m Höhe angebracht und der Blattfeuchtesensor auf Kulturhöhe ≈ 20 cm. Tabelle 1 zeigt die relevanten Kulturdaten der Versuchsflächen.
Tabelle 1: Feldparameter der drei Versuchsparzellen
1 Winterzwiebeln Unterland | 2 Sommerzwiebeln Unterland | 3 Sommerzwiebeln Wülflingen | |
Exposition | Leichte Kuppenlage | Flach – leichte Muldenlage | Südhang 5-10% |
Vorkultur | Ölhanf | Randen | Kunstwiese |
Saatdatum | 27.8.2019 | 27.3.20020 | 25.6.2020 |
Sorte | Boreas | Mustang | Elody |
Düngung kg/ha (N/P/K) | 160/70/180 | 160/80/160 | 100/40/150 |
Um die Wetterstationen von Fläche 1 und 2 herum wurden Kontrollfenster von 6 m x 10 m angelegt, auf welchen während der Versuchsdauer keinerlei Pflanzenschutz durchgeführt wurde. Einschränkend dazu wurde auf Versuchsfläche 2 am 8.6 vor dem Aufstellen der Wetterstation und dem Anlegen des Versuchs die gesamte Fläche mit dem Wirkstoff Mancozeb (solo) sowie einem Botrytizid behandelt. Auf Fläche 3 lagen zwei Kontrollfenster à 1.5 m x 7 m innerhalb des Versuchsschemas eines Bekämpfungsversuchs von Agroscope. In den Kontrollfenstern wurde wöchentlich eine Auszählung an 5 Stellen bei 10 aufeinanderfolgenden Pflanzen auf Symptome des falschen Mehltaus durchgeführt und in den Prozentsatz der befallenen Pflanzen umgerechnet. Alter Befall, der zwar nicht mehr am sporulieren war, sich jedoch durch typische Nekrosen an den Schlotten zeigte wurde jeweils als Befall mitgezählt. Eine Bonitur auf die Befallsstärke wurde nicht durchgeführt. Gleichzeitig wurden die Entwicklungsstadien nach BBCH-Code erfasst. Auf Fläche 3 wurden die Werte der Befallshäufigkeit erhoben durch Agroscope für den Vergleich herangezogen. Für die graphischen Auswertungen wurden die Modelldaten des Krankheitsmodell MillionCast aus der Onlineplattform FieldClimate (Pessl Instruments) als Rohdaten exportiert und mit den Felddaten zusammengeführt.
Resultate
In Abbildung 1 sind die Befallshäufigkeiten zusammen mit den phänologischen Daten und den Parametern des Krankheitsmodels MillionCast aufgeführt.
Standort Winterzwiebeln Unterland
Im Feld Winterzwiebeln Unterland wurde in den Kontrollfenstern bis zum 18.6 kein Befall mit dem falschen Mehltau P. destructor festgestellt. Am 25.5 wurden ein starker Befall von 46 % festgestellt, siehe Abbildung 2, bevor sich dieser Befall bis zum Versuchsende am 8.6 auf 70 % steigerte. Das Modell errechnete erstmals am 29.4 und dann erneut am 2.5. das erreichen von 100 % Infektionsbedingungen, und begann damit die Inokulationszeiten aufzurechnen. Allerdings wurden diese Infektionsbedingungen vom Modell als sehr schwache Infektionstärken bestimmt (Stärke 0). In der Zeitspanne vom 6.5 bis zum 12.5 wurde vom Modell durchgehend Infektionsbedingungen errechnet. Die Stärke der Infektion wurde vom 6.5 -11.5 mit dem Wert 3 angegeben, erst in der Nacht vom 11.5. auf den 12.5 wurde eine sehr starke Infektion mit dem Wert 5 errechnet. Um den Zeitpunkt der ersten Symptome am 25.5. herrschten zudem nach Modell 100 % Sporulationsbedingungen.
Standort Sommerzwiebeln Unterland
Ein erster ganz schwacher Befall mit falschem Mehltau auf dieser Fläche wurde am 13.7 verzeichnet. Daraufhin entwickelte sich die Infektion in der Parzelle langsamer als in den Winterzwiebeln und erreichte am 18.8 den Wert von 80 % befallener Pflanzen in der Kontrolle. Obwohl nicht bonitiert lag die Befallsstärke nach Felddurchsicht über die gesamte Versuchsdauer deutlich unter der Befallsstärke in den Winterzwiebeln. Der erste Befall wurde in BBCH 43 (beginn Bulbenentwicklung) festgestellt. Anders als bei den Winterzwiebeln verzeichnete das Krankheitsmodell bereits vor dem ersten Auftreten von Symptomen mehrere sehr starke Infektionsereignisse (Stärke 5). Der erste Befall am 13.7. wurde nach dem berechneten Ablauf der Inokulationszeit der Infektion vom 29.6 festgestellt. Am 29.6 lag die Entwicklung der Kultur zwischen dem 6-Blatt und 7-Blatt Stadium. Im weiteren Verlauf der Infektion ist die Zuordnung der Befallssteigerung zu einzelnen Infektionsereignissen nach Modell nicht mehr möglich.
Standort Sommerzwiebeln Wülflingen
Am Standort in Wülflingen wurde die erste deutliche Sporulation in der Bonitur vom 27.8 durch Agroscope festgestellt. Im Anschluss verharrte die Infektion auf tiefem Niveau. Erst in der Bonitur vom 22.9 wurde ein sehr starker Befall von 95% festgestellt. Bereits am 16.9 wurde jedoch bei einer Felddurchsicht sehr stark sporulierende Pflanzen festgestellt. Zum Zeitpunkt des Erstbefalls am 27.8 war die Inkubationszeit der starken Infektionsereignisse vom 17.8 und 22.8 nach Modell immer noch am Laufen. Die Pflanzen waren beim Erstauftreten von Symptomen im 6-Blattstadium.
Diskussion
Zuverlässigkeit des Krankheitsmodels
In keinem der 3 Versuchsfelder kam es zu Symptomen von P. destructor ohne das durch das Krankheitsmodell vorgängig starke Infektionen (Stärke 4-5) errechnet und die entsprechende Inkubationszeit abgelaufen war. Die Sensitivität des Modells lag demensprechend in den Versuchen auf der sicheren Seite. Die Resultate des Versuchsfeld Sommerzwiebeln Unterland zeigt im Gegenteil eine Übersensitivität des Modells. Hier wurden 4 starke Infektionsereignisse modelliert, ohne dass daraus nach Ablauf der Inkubationszeiten ein Befall im Spritzfenster festgestellt wurde. Zwar wurde wie oben erwähnt am 8.6 eine Behandlung, auch des Kontrollfensters, mit dem vorbeugenden Wirkstoff Mancozeb durchgeführt. Allerdings dürfte dieser Belag wohl bei der unmittelbar anschliessenden Regenperiode um den 10.6. wieder abgewaschen worden sein. Viel mehr lassen die Resultate den Schluss naheliegen, dass es bei Zwiebeln eine kritische Entwicklungsphase gibt, die überschritten werden muss bevor es zu Infektionen kommen kann. Beim Versuch Sommerzwiebeln Unterland lag dieses Stadium zwischen dem 6-Blatt und 7-Blattstadium. Das Modell berücksichtigt jedoch den Entwicklungsstand der Kultur nicht, was ein grosser Nachteil des Modells ist.
Das für das Auftreten des ersten Sporulationsereignis verantwortliche Infektionsereignis konnte durch das Modell bei den Versuchen im Unterland nachträglich identifiziert werden. Bei den Winterzwiebeln war dies die starke Infektion vom 11.5-12.5. Beim Versuch in den Sommerzwiebeln war dies das Infektionsereignis vom 29.6. Beim Versuch der Sommerzwiebeln in Wülflingen ist diese Zuordnung bereits sehr schwierig. Am ehesten erfolgte die Erstinfektion am 17.8. obwohl die errechnete Inkubationszeit noch nicht erreicht wurde zum Zeitpunkt des ersten Auftretens von Symptomen. Die Erstinfektion erfolgte auf jeden Fall in einem früheren Entwicklungszeitpunkt vom 4-5 Blattstadium. Ob dies mit der verwendeten Bundzwiebelsorte Elody zu tun hat oder durch einen aggressiveren Pilzstamm (Siehe unten), kann durch diese Versuche nicht beurteilt werden.
An den beiden Standorten mit Sommerzwiebeln war die Aussagekraft des Modells für den weiteren Verlauf der Infektion nach dem Erstbefall gering d.h. die Zuordnung von Befallsanstiegen zu neuen Infektionsereignissen war nicht mehr möglich.
Zusammengefasst können folgende provisorische Aussagen über das Krankheitsmodell MillionCast getroffen werden:
- Die Sensitivität des Krankheitsmodells ist genügend bis eher zu stark
- Das Modell bezieht die Kulturentwicklung nicht mit ein, was ein grosser Nachteil ist à Der Anwender muss diese Information selber in der Interpretation mit einbringen.
- Nur Infektionsereignisse ab einer Stärke von 3 sind für den Erstbefall relevant.
- Das Modell eignet sich bedingt für die Modellierung des Erstbefalls, nicht jedoch für den weiteren Krankheitsverlauf. Hier könnte einzig die Beurteilung wie schwer ein Infektionsereignis ist, und wann es zu neuem Sporenaustritt kommen kann bei der Wirkstoffwahl eine zusätzliche Informationsquelle sein.
- Es handelt sich um kein Prognosemodell im eigentlichen Sinn, sondern um ein Krankheitsmodell welches die Infektionsbedingungen etc. für den Jetztzeitpunkt errechnet, nicht jedoch in die Zukunft extrapoliert.
- Starke Infektionsbedingungen bis und mit dem 3-Blattstadium sind für den Erstbefall irrelevant. Sortenbedingt könnte dies auch bis zu einem späteren Entwicklungsschritt gelten, was jedoch weiter untersucht werden müsste.
Anwendbarkeit der Onlineplattform
Das Modell MillionCast auf der OnlinePlattform FieldClimate benötigt einige Einarbeitungszeit um die Funktionsweise des Modells (Siehe Ausgangslage) zu verstehen. Dies gilt insbesondere, weil die Angabe der Infektionsstärke in einer separaten Maske vorliegt. Die Überlagerung der Kurven für Infektionsbedingungen, Sporulationsbedingungen und der Inkubationszeiten ist sehr unübersichtlich dargestellt. Dies gilt vor allem während der Sommermonate mit vielen Infektionsbedingungen. Ein Vorteil ist, dass die Installation der Wetterstation im Feld und das einspeisen der Daten auf die Plattform reibungslos funktioniert.
Möglichkeit zum Einsparen von PSM
Provisorische Resultate eines Bekämpfungsversuchs von Agroscope 2020, in welchem alle relevanten längerfristig zugelassenen Wirkstoffe in der Bekämpfung des falschen Mehltaus einschlossen waren, legen den Schluss nahe, dass eine Reduktion eines erfolgten Erstbefalls im Bestand mit diesen Mitteln nicht mehr möglich ist. Einschränkend muss dazu jedoch gesagt werden, dass in der Saison 2020 am Standort Wülflingen wohl ein sehr aggressiver Stamm von P. destructor vorhanden war, denn ein starker Erstbefall wurde in einem angrenzenden Versuch an der Sorte Yankee F1 festgestellt. Diese Sorte weist zumindest gegen gewisse Stämme des Pilzes eine Resistenz auf. Trotzdem müssten sich die Bekämpfungsstrategien wohl in erster Linie auf die Verhinderung dieses Erstbefalls konzentrieren. Der Nutzen für das Festlegen des Behandlungsstarts eines Krankheitsmodells ohne Prognosefunktion ist daher per se fraglich, sofern keine potenten Wirkstoffe vorhanden sind, um auf Erstinfektionsereignisse zu reagieren.
Für die beiden Versuchsfelder im Unterland liegen die effektiven Behandlungszeitpunkte und die eingesetzten Produkte gegen den falschen Mehltau im Bestand um die Spritzfenster herum vor. In Abbildung 3 sind diese Behandlungen eingezeichnet. Daraus wird ersichtlich, dass in den Winterzwiebeln die ersten 3 Behandlungen und in den Sommerzwiebeln die ersten 2 Behandlungen hätten weggelassen werden können. Selbst wenn diese Behandlungen nicht durchgeführt worden wären, wäre noch vor dem ersten Infektionsereignis, das zu sichtbaren Symptomen geführt hat, eine vorbeugende Applikation erfolgt. Natürlich lässt sich diese Aussage nur nachträglich so feststellen. Falls jedoch Produkte vorhanden sind, die auf die ersten Infektionsereignisse eine genügende abstoppende Wirkung zeigen, bzw. ein weniger aggressiver Pilzstamm am Standort vorkommt, liegt das Einsparpotential bei mehreren Behandlungen und Kultur. Wichtig zu erwähnen ist, dass Behandlungen die vor dem 3-Blatt Stadium gesetzt werden wohl nie nötig sind.
Schlussfolgerung
Mit dem Krankheitsmodell MillionCast konnte in den gezeigten Versuchen in 2 von 3 Fällen das Infektionsereignis für den Primärbefall nachträglich eindeutig bestimmt werden. Als Modell um im Nachgang das Infektionsgeschehen zu rekonstruieren erscheint das Modell daher geeignet. Der Nutzen im Hinblick auf eine Einsparung von Behandlungen zu Kulturbeginn ist jedoch beschränkt, wenn keine potenten PSM zur Verfügung stehen die Nachträglich zu einer erfolgten Infektion angewendet werden können. Wären diese Produkte vorhanden, bzw. weniger aggressive Pilzstämme auf der Parzelle, liegt das Eisparpotential bei mehreren Behandlungen pro Kultur. Ein grosser Nachteil des Modells ist, dass der Entwicklungsstand der Kultur nicht mitberücksichtigt wird. So muss der Anwender die nicht anfälligen Kulturstadien selber in der Interpretation einbeziehen. Das Modell selber, lieferte z.B. in den Sommerzwiebeln im Unterland keine Information darüber ob die ersten 4 Infektionsbdingungen zu einer Infektion führen können. Ein Nutzen des Modells besteht jedoch grundsätzlich darin, dass die Zeitpunkte erhöhter Sporenfreisetzung durch die Aufrechnung der Inkubationszeiten gut dargestellt werden. Das Modell kann so in der Entscheidung der Behandlungszeitpunkte und der eingesetzten Wirkstoffe ein Element sein. Als „Autopilot“ um Behandlungen alleine auf das Modell abzustützen eignet es sich aber nicht.
Weitere Validierungsversuche sollten nebst der Befallshäufigkeit unbedingt auch die Befallsstärke in Form einer Bonitur miterfassen. Zudem sind die Intervalle der Auswertungen auf maximal 7 Tage besser noch weniger zu beschränken. Weiter sollte das Modell direkt mit anderen Modellen, namentlich dem Modell ZWIPERO auf einer Parzelle verglichen werden.
Druckversion: Validerungsversuch_Modell_Falscher_Mehltau_Zwiebeln_2020