Tastversuch Krankheitsmodell Alternaria dauci in Karotten 2022
Ausgangslage
Die Möhrenschwärze, auch Blattalternaria genannt, ist eine gefürchtete Krankheit im Karottenanbau. Die Krankheit wird durch den Pilz Alternaria dauci verursacht. Die Krankheit beginnt mit kleinen gelbbraunen Flecken auf den ältesten Blättern. Bei fortgeschrittenem Befall verfärben sich die Blätter braunschwarz und sterben ab. Dies führt zum einen zu einer Ertragsreduktion da die Karotten durch Neuaustrieb von Blättern weniger Reservestoffe in das Rübenwachstum investieren. Zum anderen wird durch brüchiges Karottenlaub die mechanische Ernte (mittels Klemmbandroder) erschwert bis verunmöglicht. Oft treten im Feld Mischinfektionen mit dem Pilz Cercospora carotae auf, einer ebenfalls Blattflecken ausbildenden Krankheit. Die Unterscheidung der Krankheiten kann dabei nur durch Laboruntersuchungen zweifelsfrei erfolgen.
Innerhalb des überkantonalen Projekts PFLOPF standen für die Saison 2022 Wetterstationen der Firma Pessl Instruments zur Verfügung und konnten zusammen mit einem Krankheitsmodell zur Modellierung von Alternaria dauci auf der Onlineplattform FieldClimate (Pessl Instruments) verwendet werden. Das Model errechnet mit den Inputfaktoren Blattfeuchtedauer, relative Luftfeuchtigkeit > 85% und Temperatur (zwischen 7 °C und 25 °C) einen täglichen Infektions-Wert daily infection value (DIV). Nach Angaben des Inverkehrbringers ist eine Erstbehandlung angezeigt, wenn ein akkumulierter DIV von ≥ 6 aus zwei aufeinanderfolgenden Tagen errechnet wird. In diesem Versuch sollte ausgehend von einer Standardvariante, in der die Pflanzenschutzanwendungen nach Plan eingesetzt wurden, mit Zuhilfenahme des Modells die Applikationszeitpunkte und -häufigkeiten der Anwendung angepasst werden.
Versuchsfragen
- Können durch das Krankheitsmodell die für die Bekämpfung der Blattalternaria relevanten Infektionsereignisse für die Praxis aussagekräftig modelliert werden?
- Können durch eine auf das Krankheitsmodell angepasste Spritzfolge Behandlungen mit Pflanzenschutzmitteln in Karotten eingespart werden?
Methoden
In der Saison 2022 wurde am Versuchsstandort Wülflingen eine Wetterstationen (Pessl Instruments; Modell iMetos® ECO D3) in einer Karottenkultur aufgestellt. Die Luftfeuchte, Regenmenge und Lufttemperatursensoren wurden auf 2 m Höhe angebracht und der Blattfeuchtesensor auf Kulturhöhe ≈ 20 cm. Tabelle 1 zeigt die relevanten Kulturdaten der Versuchsfläche.
Tabelle 1: Feldparameter der Versuchsparzelle
Lage | Strickhof, Winterthur-Wülflingen 47.513585, 8.698024 |
Feldgrösse | 8 Beete (1.5 m) à 15 m |
Vorkultur | Zwiebeln |
Feldvorbereitung | Spaten (1. Februar) + mehrmalige Kreiselegge |
Saatdatum | 28. März 2022; mechanische arbeitende Sämaschine; angewalzt |
Anbauform | Flachbeet 1.5 m; 3 Reihen pro Beet |
Sorten | Reihe 1: Napoli F1; Reihe 2: Caribou F1; Reihe 3; Brillyance F1 |
Saatdichten | Napoli F1: 180 Korn/m2; Caribou F1: 250 Korn/m2; Brillyance F1: 350 Korn/m2 |
Unkrautbekämpfung | 1-mal Vorauflauf + 2-mal Nachauflauf; Mehrmalige Handhacke |
Verssuchsende | 13. September 2022 |
Auf der Fläche wurden 4 Varianten (pro Variante 1 Beet) und 2 Wiederholungen angelegt. Dabei wurde zwischen den Varianten die Spritzfolge 1. `Signum‘ (Boscalid + Pyraclostrobin); 2. `Slick‘ (Difenoconazol); 3. `Slick‘ zeitlich variiert. Die Behandlungen wurden durch Agroscope mit einer Kleinparzellenspritze durchgeführt. Die Varianten mit den dazugehörigen Behandlungszeitpunkten der Fungizide gestalteten sich wie folgt:
Tabelle 2: Versuchsvarianten mit dazugehörigen Behandlungszeitpunkten
Variante | Beschreibung |
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1 | Kontrolle | Keine | Keine | Keine |
2 | Standardspritzfolge | 6. Juli; Signum | 21. Juli; Slick | 4. August; Slick |
3 | Erstbehandlung nach Modell danach nach wie Standard | 29. Juni; Signum | 21. Juli; Slick | 4. August; Slick |
4 | Behandlungen nach Modell | 29. Juni; Signum | 6. Juli Slick | Keine |
Die Bonitur erfolgte optisch hinsichtlich Befallsstärke in % befallener Blattfläche. Bonitiert wurde pro Variante und Sorte an jeweils 4 Einzelpunkten (80 cm) durch jeweils 2 Personen. Direkt auf dem Feld wurde ein Mittelwert aus diesen 8 Einzeleindrücken bestimmt. Anschliessend wurde aus den zwei Wiederholungen bei der elektronischen Datenauswertung der Mittelwert bestimmt. Bonitiert wurde an fünf Terminen am 5. August; 17. August; 23. August; 30. August und 12. September.
Resultate
Kulturentwicklung
Die Kultur entwickelte sich weitgehend normal, wobei die Sorte Brillyance sehr dicht auflief. Im Kulturverlaufs endstanden durch durchtreibende Zwiebeln der Vorkultur und Mäusefrass einige Fehlstellen. Die Bonituren konnten jedoch trotzdem durchgeführt werden.
Modellierte Infektionsereignisse
Während der Versuchsdauer von Ende März bis Mitte September wurde an folgenden Terminen ein akkumulierter DIV von ≥ 6 aus zwei aufeinanderfolgenden Tagen durch das Modell errechnet.
- 6. Juni (DIV 5. Juni = 2 + DIV 6. Juni = 4)
- 24. Juni (DIV 23. Juni = 4 + DIV 24. Juni = 2)
- 6. Juli (DIV 5. Juli = 5 + DIV 6. Juli = 2)
- 19. August – 30.August (akkumulierter DIV durchgehend ≥ 6)
- 4. September – 13.September (akkumulierter DIV durchgehend ≥ 6)
In nachfolgender Grafik sind diese Ereignisse im zeitlichen Ablauf ersichtlich.
Symptomentwicklung
Ab Anfang Juni wurde in wöchentlichen Rundgängen auf Blattsymptome hin kontrolliert. Erste Symptome wurden am 25. Juli in der Kultur festgestellt. Die erste quantitative Bonitur erfolgte am 9. August. Nachfolgend wurde wöchentlich bonitiert. Eine Abschlussbonitur erfolgt unmittelbar einen Tag vor dem Versuchsende und dem Abräumen der Kultur.
Insgesamt war der Befallsdruck während der Versuchszeit gering. Erst am letzten Boniturtag (12. September) zeigten sich agronomisch relevante Unterschiede zwischen der unbehandelten Kontrollvariante und den drei behandelten Varianten. Ein statistisch signifikanter Unterschied (ANOVA; α = 0.05) zwischen den Varianten konnte jedoch schon ab dem 17. August durchgehend bis zum letzten Boniturtermin festgestellt werden. Dieser Unterschied wurde jedoch nur zwischen der Kontrollvariante zu den anderen festgestellt, nicht jedoch zwischen den mit PSM behandelten Varianten. Für den Faktor Sorte wurde nur am 17. August und am 23. August ein signifikanter Unterschied errechnet. An diesen Daten zeigte die Sorte Brillyance höhere Befallsprozente.
Diskussion
Modellierte Ereignisse
Das getestete Krankheitsmodell zur Möhrenschwärze modellierte in der Saison 2022 in der relevanten Entwicklungsphase (Juni/Juli) nur wenige Infektionsereignisse (3 Ereignisse). Erst ab Mitte August wurden durchgehend Infektionsereignisse modelliert. Zu diesem Zeitpunkt waren die Karotten jedoch bereits soweit entwickelt, dass man diese unter Praxisbedingungen geerntet hätte. Für trockene Sommer (wie 2022) scheint demnach die Sensitivität des Modells für die Praxis geeignet. Zudem wird der höchste Einzeltageswert (DIV = 5) nur sehr selten modelliert. Es werden also nicht so viele Ereignisse modelliert, dass das Modell unübersichtlich wird. Für eine Aussage ob nur die relevanten Infektionsereignisse modelliert werden, reichen die hier gezeigten Resultate jedoch nicht aus. Grund dafür ist insbesondere die fehlende Modellierung der Inkubationszeit bis zum Ausbilden von Symptomen. Zwar wurden im Versuch erste Symptome erst entdeckt nachdem die drei Infektionsereignisse angezeigt wurden, auf welches Ereignis diese Symptome jedoch zurückzuführen sind bleibt unklar.
Die Darstellung der Daten, insbesondere des Indexwert des DIV, ist einfach verständlich und auch durch den Praktiker einfach anwendbar.
Auswirkungen Behandlungszeitpunkte und Einsparmöglichkeiten
Endsprechend der modellierten Behandlungsempfehlung vom 24. Juni wurden die Varianten 3 und 4, die sich bei der Terminierung auf das Modell stützten, früher behandelt als die Standardvariante 1. Auf das Ereignis vom 6. Juni wurde noch nicht reagiert, da zu diesem Zeitpunkt auch unter Praxisbedingungen keine Behandlung ins Auge gefasst werden würde. Bei der Versuchsplanung war der frühere Erstbehandlungstermin der modellgestützten Varianten nicht so vorgesehen, nähme man doch allgemein an durch die Verwendung eines Krankheitsmodells würde die Erstbehandlung nach hinten verschoben und nicht vorgezogen. Dennoch liessen sich durch diesen Versuchsablauf interessante Erkenntnisse folgern. So führte zum Beispiel bei Variante 4 eine Reduktion von 3 auf 2 Behandlungen und ein Vorziehen der Abschlussbehandlung um fast einen Monat (6. Juli anstatt 4. August) zu keinem höheren Befall. Im Versuch zeigte sich eine gleichgute Wirkung sofern die Infektionsereignisse (24. Juni und 6. Juli) durch die Behandlungen abgedeckt werden und nachfolgend keine weiteren Infektionsereignisse mehr eintraten. Im Tastversuch liess sich also die zweite Versuchsfrage zur Einsparmöglichkeit klar mit Ja beantworten. Ob sich diese Aussage auch in einem regnerischen Jahr bestätigen lässt, muss sich weisen.
Sortenunterschiede
Wie oben erwähnt konnte im Versuch nur an zwei Boniturtagen ein statistisch signifikanter Unterschied nachgewiesen werden. Die Befallsprozente waren jedoch zu diesem Zeitpunkt noch in einem so tiefen Bereich, dass die agronomische Praxisrelevanz nicht gegeben war. An diesen Tagen war entgegen der Erwartung die Sorte Brillyance am stärksten befallen. Die Sorte wird jedoch anders als die anderen beiden Versuchssorten mit einer hohen Alternariatoleranz ausgelobt. Allerdings könnte der höhere Befall auch mit der deutlich höheren Aussaatdichte dieser Sorte im Versuch in Zusammenhang stehen.
Krankheitsmodell vs. Prognosemodell
Grundsätzlich zeigt sich das Modell durch seine einfachen Darstellungsart als für die Praxis geeignet, um die Entscheidungsprozesse zu unterstützen. Grosser Nachteil des Modells ist jedoch das Fehlen einer echten Prognosemöglichkeit, d.h. das Verwenden von Wetterprognosedaten. Solange dies nicht angeboten wird, bleibt der Nutzen beschränkt. Das Potential zur Einsparung von Behandlungen wäre jedoch vorhanden, wie dieser Tastversuch gezeigt hat. Ob dies auch in einem Jahr mit höherem Infektionsdruck der Fall ist, muss in weiteren Anwendungstest gezeigt werden.
Weiter berücksichtigt das Modell nicht wie gross der Infektionsdruck durch Sporen in der Umgebung überhaupt ist. Die Verwendung von Sporenfallen könnte diesbezüglich eine weitere wichtige Informationsquelle sein. Dadurch könnte weiter die Frage abgeklärt werden, welcher Schaderreger (Alternaria dauci vs. Cercospora carotae) in einer Gegend vorherrschend ist.