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Bioweizen mit Biodiversitu00e4t (Bild: H. Hu00f6neisen; zVg)>

Stimme aus der Biopraxis: Eine vorweihnachtliche Geschichte

Sie soll zum Nachdenken anregen, dass ein steter Wandel in der Landwirtschaft stattfindet.

Als Kind habe ich noch erlebt, wie der Bindenmäher das Getreide schnitt und zu Garben zusammenband. Die Garben wurden dann von flinken Händen zusammengelesen und zu Puppen aufgestellt. Im Dorf stand eine Dreschscheune und in der ruhigeren Zeit wurde alles Getreide dort gedroschen, die Körner in 100kg Säcke abgefüllt und dann zu Hause auf dem Tennboden oder beim Müller gelagert. Extreme Körperbelastungen wurden beim Tragen dieser Säcke abverlangt. Am Mittagstisch sassen zwei oder gar drei Generationen mit Knecht oder Magd beim Essen. Das Gesprächsthema war damals schon das Wetter. Langsam verschwanden dann die Bilder der Puppen auf den Feldern und die Mähdrescher hielten Einzug. Der Weizen wurde mit einem Reihenabstand von circa 20cm gesät. Die Feldlerche konnte bei diesen weiten Reihenabständen ihre Nester bauen und ihre Brut aufziehen. Später wurden die Sämaschinen durch neuere Modelle ersetzt. Der Reihenabstand halbierte sich zwecks besserer Pflanzenverteilung und «niemand» dachte daran, dass jetzt kein Platz mehr für die Brutnester der Lerchen blieb oder vorhanden war. Heute, 50 Jahre später, versuchen wir mit weiter Saat die Lerchen wieder anzulocken.

Biokartoffelernte 2021
Bio-Kartoffelernte im 2021 (Bild: H. Höneisen; zVg)

Im Zürcher Weinland war in den 70er und 80er Jahren der Star auf den Kartoffelfeldern die Sorte Bintje. Der Samro, damals noch mit Sitzbank, und vorne mit Sackabfüllung, war im Oktober im Dauereinsatz. Die 50kg schweren Kartoffelsäcke wurden nach dem Auffüllen auf der Maschine auf dem Feld parkiert. Sack um Sack. Am Abend wurde der gleiche Traktor vor einen Wagen gehängt und die Säcke wurden von Hand aufgeladen. Zu Hause wurden diese Säcke auf ein Förderband ausgeleert und die ganzen Scheunen wurden lose mit vier Meter hohen Kartoffelhaufen gefüllt. Auch hier: die Samros zum Sitzen wurden abgelöst durch grössere Maschinen mit Kipp- oder Rollbodenbunker. Bei den Bintjes blieb es jedoch noch Jahre lang bei der losen Lagerung. Und im Oktober/November arbeitete die ganze Bauernfamilie mit den Sortiermaschinen in ihren Scheunen. Eine Person befüllte mit einer Kartoffelgabel von Hand die Sortiermaschine. Das waren schnell 100 bis 300 Tonnen, die wieder von Hand bewegt werden mussten. Die Sortiermaschine füllte die Kartoffeln in 30kg oder 50kg Säcke ab. Die Säcke wurden wiederum von Hand auf Wagen aufgeladen, in ein Lager geführt oder für den Export in Bahnwagen verladen. Alles mit Muskelkraft. 

1970 tauche zum ersten Mal der Wirkstoff Chlorothalonil auf, als Wirkstoff im Mittel Daconil 2787, vertrieben von der Firma Sigfried. Schlagartig stiegen die Erträge der Kartoffeln beim Einsatz dieses Mittels um 10-15%. Davor wurden vor allem Kupfer und Maneb als Pflanzenschutzmittel verwendet. Diese Mittel bewirkten scheinbar immer eine Depression bei den Kartoffeln. Der Ertrag der Bintje stieg auf 500-700kg pro Are in unserer Gegend. Goldgelbe, schorffreie, grossfallende Kartoffeln liefen über die Erntebänder. 1971 bekam Daconil 2787 auch die Zulassung zum Getreide Spritzen. Die Standartsorte im Zürcher Weinland war «Zenith». Diese Sorte startete mit dieser Spritzung dann voll durch und die Erträge stiegen bis auf über 8000kg pro Hektare auch in unseren leichten Böden. Der Preis pro 100kg Getreide lag damals bei CHF 100.00. Der Bruttoertrag von vier Hektaren Getreide reichte aus, um einen neuen 70PS starken Traktor zu kaufen. Eine Buchhaltungspflicht gab es zu dieser Zeit noch nicht. Die Steuererklärung wurde mit Pauschalzahlen gerechnet anhand der Kulturen, die auf dem Betrieb standen. Praktisch alle Kulturen wurden gehackt. Die Zuckerrüben wurden im Abstand von 9cm gesät und danach von Hand vereinzelt. Dabei half wieder die ganze Familie mit viel Handarbeit. 

Dann, 1995, ein massiver staatlicher Eingriff mit der Einführung der Direktzahlungen. Die Produktpreise sanken massiv. Sollten aber durch die Zahlungen aufgefangen werden. Was bei vielen Kulturen jedoch nie der Fall war. Eine Kontrollbehörde musste geschaffen werden, ökologische Ausgleichsflächen wurden Pflicht. Ebenso wurde die Buchhaltungspflicht eingeführt. Diese Preisreduktionen bewirkten zwangsweise eine rationellere, schnellere, mit schwereren Maschinen arbeitende Landwirtschaft. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, gerade Herbiziden, stieg. Bandspritzanlagen auf den Sämaschinen wurden wieder entfernt. Die Hackgeräte verstaubten in den Scheunen. Vorauflaufspritzungen wurden ganz verboten. Die Familienmitglieder wurden nicht mehr auf den Feldern gebraucht. Hier übernahm die chemische Industrie viele dieser Aufgaben. Mit gravierenden Folgen, wie wir heute feststellen müssen. Auf vielen Betrieben suchten sich Familienmitglieder ausserbetriebliche Jobs um das Einkommen der Familie zu verbessern. 

Bioweizen mit Biodiversität 2021
Bioweizen mit Biodiversität (Bild: H. Höneisen; zVg)

Nun, 50 Jahre nach der ersten Spritzung mit Chlorothalonil, ist das Mittel verboten. Rückstände davon werden überall gefunden, ebenso aber auch von anderen Pflanzenschutzmitteln, die zwar hocheffizient im Einsatz waren, aber nun auch effizient im Zurücklassen von Rückständen. Auch verschwunden ist die Kartoffelsorte Bintje, da sie zu anfällig für viele Krankheiten war. Zurzeit steht die Landwirtschaft ja in vielen Bereichen am Pranger. Leider oft auch von Leuten, die nie Gummistiefel an den Füssen oder Erde an den Händen gespürt haben. Die staatlich geförderten Biodiversitätsflächen sind vorhanden und doch nimmt die Lebensvielfalt ständig ab und auch hier stehen wir Landwirte am Pranger. Positiv, und ich hoffe auch zukunftsweisend, ist das Projekt ZIBIF des Kantons Zürich. Pilotbetriebe gestalten ihre Biodiversitätsflächen nach Absprache mit Beratern wieder selbst und werden auch ernst genommen. Ich hoffe schwer: es bleibt ein positives Resultat zurück in sechs Jahren und der sture 15. Juni-Schnitt gehört mit vielen anderen aufgezwungenen Massnahmen dann der Vergangenheit an. Auch hier: der Wandel muss weiter gehen, wieder hin zu mehr Selbstverantwortung des Betriebsleiters. Doch schon seit Jahren zeigt ein Trend auch in eine andere Richtung: Eine beachtliche Anzahl von Landwirten hat beschlossen, ihre Höfe auf die Bioproduktion umzustellen. Trotz Anfeindung und viel Kritik, wächst die Biobewegung stetig. Und ich glaube, dass ein Nebeneinander aller Bewirtschaftungsformen möglich ist, solange auch für alle Produktionsrichtungen ein Absatzmarkt vorhanden sein wird. 

Daher freue ich mich ganz besonders, dass wir am 12.08.2022 das 30-jährige Jubiläum von Bio ZH/SH miteinander feiern dürfen. Ort und Zeit werde ich euch noch mitteilen. Ganz besonders freut mich der Wandel, dass in Zukunft auch eine Pflanzenschutzmitteilung von den Biofeldern im Zürcher Bauern erscheinen wird. 

Und nun wünsche ich allen Bäuerinnen und Bauern im Kanton Zürich eine besinnliche Adventszeit im Bewusstsein, dass in der Landwirtschaft ein stetiger Wandel stattfindet.

 

Autor: Heinz Höneisen, c/o Präsident Bio ZH/SH, Tännlihof, 8450 Andelfingen; Mail: info@thurlandbio.ch