Rückblick Wanzentagung 2022 am Strickhof
Temperaturen und Wanzenentwicklung
Christof Gubler vom Strickhof stellte fest, dass die Temperatur seit der Normperiode 1981-2010 um etwa ein Grad gestiegen ist. Je nach Annahme zum künftigen CO2 Ausstoss, werden wir entweder wie in den letzten 5 Jahren beobachtet ab und zu Jahre mit zwei Generationen Halyomorpha halys erleben, oder aber es sind zwei Generationen bis 2060 jährlich zu erwarten. In jedem Fall wird uns das Thema weiterhin beschäftigen, auch wenn 2021 als kaltes Jahr mit nur einer Generation in Erinnerung bleibt. Um zu prognostizieren, wann wieder problematische Jahre kommen, wurden durch die Fachstelle Gemüse die Monitoringdaten der Fachstelle Obst mit den gemessenen Temperaturen verglichen, um die in der Literatur genannten Gradtage in der Praxis zu überprüfen.
Es scheint schwierig, mit Gradtagen die erste Eiablage vorherzusagen im Freiland. Grund dafür sind Temperaturpeaks nahe 15°C, die jedoch noch keine Eiablage auslösen. Jedoch scheint es gut möglich, mit Gradtagen eine Generationsdauer zu prognostizieren. Bisherige Daten zeigen, dass dafür 450 bis 500 Gradtage mit Basis 12.2°C nötig sind. Die Daten müssten im Gewächshaus noch bestätigt werden. Weiter hat sich gezeigt, dass die ersten Eier Anfangs der dritten Maiwoche abgelegt sein müssen, damit die Adulten bis Anfangs der dritten Juliwoche geschlüpft sind und die zweite Generation einleiten können.
Monitoring Gemüsebau
Cornelia Sauer von Agroscope stellte fest, dass H. halys 2021 im Freiland ca. 3 Wochen und im Gewächshaus ca. 2 Wochen später auftraten als 2020. Sowohl im Freiland als auch in Frühlingspflanzungen von Fruchtgemüse bildete sich nur eine Generation. Sie geht für 2022, wie andere Beteiligte auch, von einer geringen Ausgangspopulation aus. Das schlechte Wetter scheint 2021 an einem Standort eine Migration ins Gewächshaus mit entsprechenden Schäden an einem Standort gefördert zu haben. Mit einem Acetamiprideinsatz zum Befallshöhepunkt 2021 wurde der Besatz mit jungen Nymphenstadien deutlich reduziert. Cornelia Sauer simulierte auch die Überwinterungssituation im Gewächshaus mittels Zucht in Zuchtbox sowie die Zuflugssituation in Frühlingspflanzungen mit im Freiland gefundenen Wanzen, die in kleinen Zuchttunneln unter Glas auf einer Paprikapflanze platziert wurden. Ziel war es dabei, den Beginn und Verlauf der Eiablagephase zu beobachten und die Frühwarnung zu verbessern. Die Überwinterungssituation führte ab Ende Januar zu Eiern und einem Eiablagehöhepunkt Mitte/Ende Juni. Im Oktober war die Eiablage beendet. Erste schädigende Nymphen (N3/N4) waren in der zweiten Märzwoche zu finden und erste Adulte der ersten Generation Ende März. Bei den im Freiland gesammelten Wanzen kam es im Verlaufe des Junis zu hohen Eiablagen. Jedoch war bereits Ende Mai eine hohe Fruchtbarkeit erreicht. Cornelia Sauer schätzt aufgrund bisheriger Beobachtungen, dass die höchste Eiablagegefahr von Mitte Juni bis mindestens Mitte Juli besteht.
Monitoring Obstbau
David Szalatnay und Flora Zourek vom Strickhof stellten fest, dass besonders Birnen betroffen sind, teilweise auch Äpfel und vermehrt Himbeeren. Der Befall nahm in Übereinstimmung mit Beobachtungen der anderen Teilnehmer ab, einzelbetrieblich kann es aber doch zu Problemen kommen. Zudem wurde vermehrt die rotbeinige Baumwanze gefunden. Beim Monitoring fand man ab Kalenderwoche 13 Wanzen die zugeflogen waren. In Kalenderwoche 24 wurde die erste Eiablage vermutet. In den Kalenderwochen 27-29 sowie 32-35 stellte man vermehrt Eiablagen fest. In den Kalenderwochen 37-41 wurde eine vermehrte Aggregation von Adulten beobachtet, die ab Kalenderwoche 42 in die Winterquartiere abwanderten. Eine Abwanderung im selben Zeitraum wurde durch einige der Anwesenden ebenfalls festgestellt, auch im Gewächshaus, das zu dieser Zeit noch warm wäre. In Übereinstimmung mit anderen Teilnehmern wurde auch im Monitoring der Fachstelle Obst eine Abnahme der Wanzen festgestellt. Seit 2019 halbierte sich die Anzahl gefangener Wanzen ungefähr jährlich. Ob hierbei auch Trissolcus japonicus eine Rolle spielt, kann nicht abschliessend geklärt werden. Die in den Jahren 2019-2021 jeweils beobachtete beginnende Häufung von Adulten führt David Szalatnay auf die dann stattfindende Tag-Nacht Gleiche zurück. Trotz abnehmenden Fangzahlen kann diese Aggregierung unter Umständen zu grossen Schäden führen. Speziell war auch der vermehrte Fund von Adulten und speziell Nymphen auf Reben im Verlaufe der letzten drei Jahre. Im Freilassungsversuch von T. japonicus durch das Obstbauteam von Agroscope wurde eine tiefe Parasitierungsrate von 18.2% erreicht. Es wurden 50% mehr Eigelege gefressen als parasitiert.
Situation in Deutschland
Wie Cornelia Sauer berichtete auch Christine Dieckhoff von Beobachtungen durch das LTZ Augustenberg von einer Verzögerung des Auftretens von ca. 3 Wochen. Nezara viridula und H. halys waren 2021 wie schon 2020 im Rheingraben stark präsent, wobei H. halys in 2021 eindeutig die dominante Art war. Neu sind sie jedoch auch vereinzelt im Norden von Deutschland in Ballungszentren wie z.B. Hamburg gefunden worden. Das Projekt ProgRAMM, ein bundesweites Projekt zum Monitoring invasiver Insekten, in dem auch die Wanzen erfasst wurden, wurde zu Jahresbeginn beendet (Laufzeit 07/2018 -01/2022). Im Rahmen des ebenfalls BMEL-geförderten neuen Verbundprojektes BC-InStink (Laufzeit: 04/2021-03/2024) werden in Zusammenarbeit mit dem JKI und Katz Biotech AG Vorkommen und Verbreitung der invasiven Wanzenarten H. halys und N. viridula erfasst sowie deren natürliche Gegenspieler in Obstkulturen. Ebenfalls geht es in dem Projekt um die Etablierung wirtschaftlicher Massenzucht der Gegenspieler und um Erfassung und Dokumentation von Schadsymptomen. Beim Monitoring auf dem Obsthof des LTZ fand man einen Peak der Adulten um die Monatswende September/Oktober. Bei der Befallsbonitur fiel ein tendenziell höherer Befall heckennaher Äpfel auf, da sie in der Regel stärker dem Befallsdruck durch einwandernde Wanzen ausgesetzt sind als heckenferne Bestände. Äpfel verschiedener Sorten (Gala, Elstar, Santana, Boskoop; jeweils 300 Stück pro Sorte und heckennah bzw. heckenfernem Bestand) wiesen zum Erntezeitpunkt wanzentypische Schadsymptome zwischen 27 % und 76 % in heckennahen und 8 % bis 65 % in heckenfernen Beständen auf. Nachdem T. japonicus als Parasitoid von H. halys erstmals 2020 in Baden-Würtemberg und Hessen gefunden wurde, konnten diese Funde auch im Folgejahr 2021 bestätigt werden und die Schlupfwespe breitete sich weiter in Deutschland aus und wurde durch das KOB Bavendorf in der Bodenseeregion sowie durch das DLR in Rheinland-Pfalz gefunden. Freilassungsversuche sind bis jetzt durch die zuständigen Stellen des Bundesamtes für Naturschutz nicht bewilligt worden. Im Rahmen des Interreg Programms „Alpenrhein Bodensee Hochrhein“ (Laufzeit: 01.04.2020 - 31.03.2023) «Schädigende Wanzen im Obstbau» mit insgesamt neun beteiligten Institutionen stellte man in der Bodenseeregion im Jahr 2021 eine erste Eiablage in der Kalenderwoche 25 sowie eine Abwanderung in die Winterquartiere ab Kalenderwoche 40 fest.
Praxis- und Beraterberichte
Stimmen aus der Praxis zeigen, dass die Schäden durch H. halys abgenommen haben. Lygus ist je nach Betrieb das grössere Problem in Gurken und Auberginen. Ein Versuch mit T. japonicus konnte nicht ausgewertet werden wegen zu geringem Schädlingsdruck. Ebenso zeigte die Einnetzung weiterhin Ihre Wirkung.
Samuel Stüssi von der Andermatt Biocontrol ergänzte, dass es in der Westschweiz und im Tessin ein Mix aus Arten sind, die Schäden verursachen, was die Nützlingsstrategie nicht einfacher macht. Ebenso bestätigte er den Druck von Nezara in Auberginen. Der Macrolophus scheint den Lygusbefall drücken zu können, wobei das sicher vom Angebot an übriger Beute abhängt. Gegen H. halys und N. viridula wurden alle 14 Tage über sechs Wochen eine Mischung aus T. japonicus und Trissolcus basalis eingesetzt. Die Frage stellte sich, wann man beginnen sollte, da Eiablagen schon sehr früh im Jahr möglich sind. Eine Eiablage von T. japonicus ist ab 17°C zu erwarten. Anmerkung: Serge Fischer fand in seinen Versuchen einen Teilerfolg von T. basalis gegen N. viridula, jedoch war der Erfolg mit Trichopoda pennipes zu gering. Laut Christine Dieckhoff ist der Einsatz von T. pennipes gegen H. halys nicht geeignet.
Fallenfang Lygus
Rob van Tol von der WUR arbeitet an einem Projekt zur Bekämpfung von Lygus rugulipennis, die gerade in Chrysanthemen in Holland viel Schaden machen. Seine neuen Fallentypen arbeiten auf Lichtbasis und fangen im Gegensatz zu den Pheromonfallen mehr Individuen und auch Weibchen. Fallenfänge wurden im Jahr 2020 nur Anfang August bis Anfang September registriert, wobei die Fallen erst im Verlaufe des Julis da waren. Hagen Thoss vom Strickhof bestätigte den gleichen Schädigungszeitraum in Beerenanlagen. Im Jahr 2021 wurden sehr wenig Individuen gefangen. Das mag möglicherweise daran liegen, dass im Jahr 2021 die Temperaturen im Mittel praktisch immer unter 20°C lagen und es ein sehr nasses Jahr war. Dadurch waren allenfalls die Weiden attraktiv genug und es fand kein Migrationsflug ins Gewächshaus statt. 2022 wird versucht, ob die Fallen den Migrationsflug erfolgreich wegfangen können und ob Sie auch den ersten Flug anzeigen.
Olaf Zimmermann vom LTZ wies darauf hin, dass wir es in unseren Breitengraden meistens mit L. pictipennis und nicht wie erst angenommen mit L. rugulipennis zu tun haben. Er bittet um Einsendung von Lygus Wanzen zur Bestimmung.