Marktlage für Bioprodukte nachhaltig gestärkt
In Anbetracht der bisher spürbaren Marktsättigung bei gewissen Kulturen eröffnet die neue Situation gute Perspektiven. Bei der Wahl der Frühlingskulturen sind aber alle Aspekte – Anbaueignung für den Betrieb, Ablieferung der Ernte – und die Nachfrage zu berücksichtigen.
Während die Covid-Krise vielen Unternehmen ernsthafte, oder gar existentielle Probleme bereitet, hat sie dem Lebensmittelsektor ein grosses Umsatzwachstum beschert. Insbesondere Betrieben mit Direktvermarktung ist das bestens bekannt. Das Wachstum, resp. der Anstieg der Nachfrage setzte im Biobereich sogar schon vor der Krise ein.
Was bedeutet dieses positive Zeichen nun für den Anbau der Bio-Sommerkulturen? Dank der besseren Nachfrage konnte z.B. Biofarm, bei welcher der Autor für Ölsaaten und spezielle Ackerkulturen verantwortlich ist, teils erhebliche Lagerbestände aus den Vorjahren so weit abbauen, dass der Anbau bei einigen Kulturen wieder auf grösserer Fläche möglich ist. Auch der diese Tage vom Schweizer Bauernverband publizierte ‚Bericht zum Potential Schweizer Ackerkulturen‘ attestiert den ‚Nischenkulturen‘ ein grosses Potential. Allerdings erkennen die Autoren auch ungenügende Infrastrukturen und fehlender Grenzschutz – sprich: Preiskampf – als limitierende Faktoren für den Ausbau dieser ‘Nischen’. Der Anbau von Hirse, Linsen und Lein muss darum gut überlegt und vertraglich abgesichert sein.
Lein – Schönheit auf Bioäckern
In den letzten Jahren investierten viele Biobauern, Forschende, Sammelstellen und auch der Strickhof zusammen mit Biofarm nicht wenig in das Know-how für Anbau und Aufbereitung von Biolein. Die feinen Leinpflanzen unterdrücken bekanntlich das Unkraut nur mässig und insbesondere bei der Abreife kann die Spätverunkrautung eine Ernte mittels Schwaddrusch, also Mähen des Leins zum Trocknen auf Schwaden vor dem Drusch, erfordern.
Nichtsdestotrotz gelang der Leinanbau aber einigen engagierten Biobauern sehr gut und im vergangenen Jahr musste dieser sogar wegen unverkauften Vorräten heruntergefahren werden. Nun hat sich die Marktlage geändert und für den Lein, meistens als Frühlingskultur gesät, kann wieder grünes Licht gegeben werden. Der Mut zu dieser Kultur wird nicht nur mit der Schönheit der blau blühenden Felder belohnt, sondern auch mit dem attraktiven Produzentenpreis von Fr. 290.-/dt. Mit Landi Weinland und der Eichmühle stehen zwei Sammelstellen im Einzugsgebiet der Zürcher und Schaffhauser Biobauern für die rasche Übernahme nach der Ernte bereit.
Sonnenblumen auch für Kernen
Während die meisten Sonnenblumen zum Zweck der Ölpressung angebaut werden, verfolgt Biofarm auch den Anbau zur Schälung der Kerne, welche als Beigabe zu Salaten oder Gebäck, sowie als Snack sehr beliebt sind. Spezielle Sorten sind erforderlich, deren Saatgut nicht einfach zu beschaffen ist. Biofarm unterstützt darum ein Züchtungs-Projekt der Sativa Rheinau, um die Versorgung mit Saatgut einer für den hiesigen Anbau tauglichen Sorte sicherzustellen. Vorläufig sind wir aber noch auf Importe angewiesen. Die Nachfrage nach diesen Kernen ist sehr gut, die etwas spätreiferen Schälsonnenblumen sollten aber nur in günstigen Lagen angebaut werden. Die Ablieferung der Ernte erfolgt in der Eichmühle oder in der Landi Zola Illnau.
Linsen in Mischkultur
Bei einigen LeserInnen mögen Linsen zweifelhafte Kindheitserinnerungen an ungeliebte Konservenlinsen wecken. Kulinarisch ist aber die Büchsenvariante längst überholt. Allerlei feine Rezepte verbesserten den Ruf der Linsen markant, nicht nur wegen des Vegi-Trends. Sogar der Bauernverband hat in seiner eingangs erwähnten Studie das Interesse der Konsumenten erkannt, auch an Schweizer Bio-Linsen.
Im Anbau haben die Linsen allerdings auch ihre Tücken. Ähnlich sensibel wie Lein bezüglich Unkraut, nur noch weniger standfest als dieser, ist der Anbau in Mischkultur angesagt. Dieser erfolgte bisher meist mit Leindotter, wie es auch BesucherInnen der Strickhof-Flurbegehungen auf dem Stiegenhof die letzten Jahre begutachten konnten. Das vergangene Jahr war sehr schwierig bezüglich Krankheiten. Der Anbauerfolg wurde vor allem durch Nanoviren geschmälert, welche im heissen April durch Blattläuse stark verbreitet wurden.
Für die kommende Saison ist auf ein Fernbleiben der Läuse zu hoffen. Herausfordernd und für den Anbau limitierend sind die Möglichkeiten der Annahme der Ernten, welche bei Saat anfangs April in die Zeit später Getreide fällt. Wenige Partner stehen für die Annahme der Biofarm-Linsenernten zur Verfügung. Wer selber trocknen kann, hat einen Vorteil.
Hafer – gefragter für Tisch als für Trog
Während Hafer in den Biofuttermühlen eher ein Mauerblümchen-Dasein fristet, findet er in Form von Haferflocken in allen Biokanälen inklusive Grossverteilern guten Absatz. Rund drei Viertel des Schweizer Biohafers werden von Menschen direkt gegessen und machen nicht den Umweg über die Kuh. Entsprechend konnte der Anbau vor allem vom Winterhafer ausgedehnt werden, sodass im 2020 über 2‘000 Tonnen Speisehafer schweizweit produziert wurden. Auf rund einem Viertel der Anbaufläche von Biofarm wird Sommerhafer angebaut. Dieser bringt zwar ein grösseres Risiko bezüglich Hektolitergewicht mit sich und oft einen leicht tieferen Ertrag, passt aber besser in Wintergetreide-starke Fruchtfolgen.
Die Anbau-Verträge wurden mit den bisherigen Produzenten bereits abgeschlossen. Die Marktentwicklung darf aber optimistisch eingeschätzt werden, Schweizer Biohaferflöckli sind nicht nur Superfood, sondern passen mit ihrem erschwinglichen Preis auch in jedes Konsumenten-Budget. Interessenten für den künftigen Anbau können sich melden. Das Gleiche gilt übrigens auch für Bio-Dinkel, für den die Nachfrage zurzeit auch bedeutend grösser ist als das Angebot.
Hirse und andere Mai-Saaten
Die Biofarm Hirse-Produzenten wurden bereits über die erfreulichere Marktlage für 2021 informiert, welche es erlaubt, die Anbaufläche mit den bisherigen Produzenten eher wieder zu vergrössern. Die spät gesäte Hirse ist mit ihrer kurzen Vegetationszeit eine beliebte Kultur vor allem in trockenen Gebieten, wo sie mit sehr wenig Wasser auskommt. Für eine noch bedeutendere Vergrösserung der Anbaufläche müssten sich aber erst die Essgewohnheiten von Herr und Frau Schweizer entsprechend ändern.
Ebenfalls gut trockenheitstolerant und im Raum Schaffhausen-Zürich-Thurgau bestens etabliert sind die in Zusammenarbeit mit Familie Brütsch angebauten Ölkürbisse. Anbau und Markt für die gesunden Kürbiskerne und das Öl wachsen zwar auf beschränktem Niveau, aber stetig.
Mehr ‚gehypt‘ wurde die letzten Jahre der Hanf. Sein Anbau ist aber, auch wegen fehlender Direktzahlungen, in vielen Fällen noch nicht wirtschaftlich befriedigend, die Nachfrage bleibt unter den Erwartungen.
Gute Nachfrage kommt nicht von allein!
Seit zwei Jahren lernen Passanten entlang Bio-Äckern dank den Biofarm-Feldtafeln mehr über die verschiedenen Kulturen und Produkte. Die Tafeln informieren nicht nur über Spezialitäten wie die Linsen-Mischkultur und Lein, sondern auch über die Vorzüge von Bio-Getreide.
Biofarm-Produzenten können solche Feldtafeln in wetterfester A3-Ausführung kostenlos bei Biofarm bestellen. Die Tafeln werden für (fast) alle Vertrags-Ackerkulturen angeboten und bieten auch die Möglichkeit zur Bewerbung des eigenen Hofladens oder der Website.
Autor: Hans-Georg Kessler, Biofarm Genossenschaft
www.biofarm.ch