Gute Agrarpraxis bei der Gemüsebewässerung
Gute Agrarpraxis bei der Gemüsebewässerung
War es bei den ersten Freilandsätzen der Saison 2020 noch das Problem ausreichende Pflanzfenster zwischen den Regenperioden zu finden, hat sich die Situation im April gedreht und die oberen Bodenschichten sind bereits ungewöhnlich trocken für die Jahreszeit. Grund genug sich die Grundlagen der Gemüsebaubewässerung wieder präsent zu machen.
Kenntnisse über Bodeneigenschaften und Wurzeltiefe entscheidend
Weil das zugeführte Wasser in der Bodenmatrix gehalten und von dort durch die Pflanze aufgenommen wird, ist es entscheidend zu wissen, welche Bodeneigenschaften überhaupt vorliegen. Insbesondere die Bodenart d.h. die Körnungsverteilung von Sand, Schluff und Tonpartikeln entscheidet darüber wie hoch die nutzbare Feldkapazität (nFK) eines Bodens ist. Die nFK beschreibt diejenige Menge Wasser die gegen die Schwerkraft gehalten werden kann (Feldkapazität) abzüglich des für die Pflanzen nicht verfügbaren Totwassers. Wie viel Wasser bei 100% nFK im Boden gehalten werden kann, ist je nach Bodenart unterschiedlich. Im Kanton Zürich sind die Bodenarten der Landwirtschaftsböden flächendeckend kartiert und auf dem kantonalen GIS Browser einsehbar. Zweitens ist es wichtig zu wissen, wie tief die Bodengründigkeit des Standorts ist und bis in welche Tiefe die angebaute Kultur zu welchem Entwicklungsstadium wurzelt (Flachwurzler vs. Tiefwurzler). Diese Grössen bestimmen in welchem Bodenvolumen das fehlende Wasser durch die Bewässerung nachgeliefert werden muss, ohne dass es zu Sickerverlusten kommt.
Bewässerungsstart bei Gemüsekulturen früher als bei Ackerkulturen
Durch die Evapotranspiration der wachsenden Kultur wird dem Boden Wasser entzogen und der Prozentsatz an der bodenartspezifischen nFK sinkt. Die Geschwindigkeit dieses Entzugs ist sowohl von den Witterungsbedingungen als auch von der Kulturart abhängig. Bei Gemüsekulturen wird in der Hauptwachstumsphase empfohlen eine Bewässerungsgabe zu verabreichen, sobald der Wassergehalt unter 50% der nFK der entsprechenden Bodenart im durchwurzelten Bereich absinkt, bei Salaten, Kohlrabi und Fenchel sogar bereits bei rund 60 %. Bei diesen Werten ist das «leicht verfügbare» Wasser aufgebraucht und die Qualität beginnt bei tieferen Werten bereits zu leiden. Dieser Startpunkt ist bei Gemüsekulturen früher als bei den meisten Ackerkulturen. Eine bedarfsgerechte Bewässerung hat nun zum Ziel die nFK wieder auf rund 80% zu erhöhen um noch einen Puffer zu haben (z.B. bei einem Sommergewitter). Je nach Bodenart und Durchwurzelungstiefe lassen sich daraus folgende Faustzahlen für die Höhe der Einzelgaben ableiten:
Bodenart | Bewässerungsmengen nach Durchwurzelungstiefe in mm. Der Höhere Wert gilt bei Humusgehalten von > 4% im Oberboden. | |
0 - 30 cm | 0 – 60 cm | |
Feuchtigkeitsgrad (Ist → Soll) | 60 → 80 % nFK | 50 → 80 % nFK |
Sand | 5 - 8 | 16 |
Lehmiger Sand | 11 - 13 | max. 30 |
Sandiger Lehm | 13 - 15 | max. 30 |
Lehm | 11 - 14 | max. 30 |
Lehmiger Ton | 10 - 13 | 30 |
Von diesen Überlegungen ausgenommen sind die Startberegnungen während dem Einwurzeln bei Pflanzkulturen, weil es zu diesem Zeitpunkt entscheidend ist, dass die obersten cm des Bodens sowie der Substrattopf genügend mit Wasser versorgt sind bis die Pflanzen fest eingewurzelt sind.
Keine Bewässerung ohne vorgängige Beurteilung der Bodenfeuchte
Nun stellt sich natürlich die Frage wie festgestellt werden kann, wann diese 50% bzw. 60% der jeweiligen nFK vorliegen. Nebst der «klassischen» Fühl- und Spatenprobe, die mit genügend Erfahrungswerten und bei Beurteilung über den gesamten durchwurzelten Bereich (genügend tief!) durchaus ihre Berechtigung hat, gibt es im Grundsatz zwei unterschiedliche Herangehensweisen um den Feuchtegehalt des Bodens zu beurteilen. Erstens die direkte Messung im Feld mittels verschiedenster Sensoren, Sonden, Tensiometern usw. Dabei ist es nicht immer zwingend nötig, einen exakten Feuchtewert zu ermitteln, sondern es genügt einen Einblick über den Wassergehalt vor und nach der Beregnung zu erhalten um nicht im Blindflug unterwegs zu sein. Nachteil dieser Methode sind die Kosten der nötigen Messgeräte, weil jede Kultur und jeder Boden wieder unterschiedlich funktioniert. Die zweite Möglichkeit ist das Führen einer klimatischen Wasserbilanz. Grob vereinfacht gesagt werden hier die Evapotranspirationswerte einer Kultur ausgehend von gesättigten Bodenverhältnissen so lange aufsummiert bis die Höhe der Einzelgabe erreicht ist. Die Niederschläge werden in der Bilanz jeweils in Abzug gebracht. Die Schwierigkeit hier wiederum ist die Verfügbarkeit von ausreichend guten meteorologischen Daten und der relativ hohe Aufwand um die Werte nachzutragen, wenn man die Bilanz selber führt.
Seit letztem Jahr Zeit bietet die ALB-Bayern e.V eine Weiterentwicklung der «klassischen» klimatischen Wasserbilanz als eigentliches Bodenwassermodel für den Raum Bayern an, bei dem z.B. auch ein Wurzelwachstumsmodul der Kulturen hinterlegt ist. 2020 werden in der Schweiz unter Federführung der HAFL Versuche stattfinden, dieses Model unter Schweizer Bedingungen zu testen. Ziel dabei ist es, das Führen der Wasserbilanzen zu vereinfachen um diese schlussendlich flächendeckend zur Verfügung zu haben.
Zeitpunkt während der Kultur entscheidend
Nicht jede Kultur ist zu jedem Zeitpunkt während ihrer Entwicklung gleich wasserbedürftig bzw. anfällig auf eine Mangelversorgung. So ist es insbesondere bei den fruchtbildenden Gemüsearten wie Kürbis, Buschbohnen, Kefen, Erbsen, Zucchetti wichtig, nach der Blüte zum Zeitpunkt der beginnenden Fruchtentwicklung genügend Wasser zu verabreichen. Bei akuter Trockenheit in diesem Entwicklungsstadium kann es zum Abstossen der Blüten bzw. Jungen Früchte kommen was später nicht mehr kompensiert werden kann. Bei Karotten ist insbesondere die Auflaufphase heikel, damit der austreibende Keimling nicht trockenfällt und anschliessend eine genügend tiefe Pfahlwurzel ausbildet. Später in der Kultur kann es bei Karotten zudem bei zu abrupten, hohen Einzelgaben nach einer Trockenheit schnell zum Aufplatzen der Wurzelrinde kommen. In diesen Situationen ist daher mit kleineren Einzelgaben zu arbeiten.
Bewässerungswürdigkeit bei Frischgemüse fast immer gegeben
Während bei vielen Ackerkulturen die Frage vorherrscht ob sich Bewässerungsgaben überhaupt finanziell auszahlen, stellt sich diese Frage bei den Frischgemüsekulturen in der Regel nicht. Berechnungen der Fachstelle Gemüse Bern haben ergeben, dass bei einer Zusatzberegnung von 75 mm verteilt auf 3 Gaben bei den gängigen Beregnungstechniken mit Kosten von 1'070 – 1129 CHF/ha gerechnet werden muss. Verglichen mit den Vollkosten von Frischgemüsekulturen (z.B. bei Kopfsalat im Frühjahr mit Vliesabdeckung über 60'000 CHF) sind dies jedoch vergleichsweise moderate Kostenpositionen. Zudem verläuft der Übergang zwischen Vollertrag zu Totalausfall bei Frischgemüsekulturen häufig nicht graduell, sondern geschieht aufgrund von Qualitätsmängeln sprunghaft. Ausserdem sind die Startberegnungen bei den Pflanzkulturen zur Sicherstellung der Einwurzelung in den Boden fast immer unerlässlich. Die Bewässerungswürdigkeit – Können die Bewässerungskosten durch den zusätzlichen Ertrag gedeckt werden? – ist daher bei Frischgemüse nebst der Bewässerungsbedürftigkeit – Lässt sich ein Mehrertrag durch Bewässerung erzielen – fast immer gegeben.