Federkohl – Eine erstaunliche Erfolgsgeschichte
Ein Blick in die Anbaustatistik verdeutlicht es: Wurden im Jahr 2000 gesamtschweizerisch noch mickrige 22 t Federkohl geerntet, waren es im Jahr 2020 bereits 570 t, wovon 240 Tonnen auf den Kanton Zürich entfielen. Auch die Anbauflächen stiegen von rund 3 ha im Jahr 2010 auf 24 ha im Jahr 2019. Wiederum nimmt der Kanton ZH mit 7 ha eine Vorreiterrolle ein. Zwar zählt Federkohl damit nicht zu den flächenmässig bedeutendsten Gemüseartikeln, dennoch ist es eine erstaunliche Entwicklung. Dies gilt umso mehr, als es sich bei Federkohl um einen nicht bewirtschafteten Artikel handelt d.h. es besteht während des ganzen Jahres kein Zollschutz für Schweizer Ware. Was ist da geschehen? Betrachtet man die Anbauzahlen etwas genauer, sieht man den starken Anstieg in den Jahren 2014 - 2016 eingegrenzt mit seitheriger Stabilisierung. In diesen Jahren, war Federkohl allgegenwärtig in der medialen Berichterstattung. Kein Koch- und Lifestylemagazin konnte es sich leisten nicht über Federkohl oder "Kale", wie er auf English genannt wird, zu berichten. Getragen durch einen Gesundheitskult ausgehend von den USA wurde Kale als Superfood in Smoothies, Saladbowlen etc. durch Stars und Sternchen angepriesen. Federkohl als Lifestylegemüse! Dabei ist Federkohl eigentlich ein ein altbekanntes Wintergemüse dessen Anbau vor allem in Norddeutschland (Grünkohl) und Holland eine lange Tradition in Kultur und Küche hat.
Standortansprüche und Anbau
Federkohl (Brassica oleracea var. sabellica L) entstammt wie Kabis oder Blumenkohl dem Wildkohl dessen Ursprungsgebiet der östliche Mittelmeerraum ist. Federkohl ist dabei der Wildform noch vergleichsweise ähnlich und dürfte zu den am längsten kultivierten Kohlformen gehören. Federkohl ist die Kohlart mit der grössten Winterhärte welche bis zu -15°C betragen kann, obschon die Winterhärte stark sortenabhängig ist und entsprechend ein wichtiges Kriterium in der Sortenwahl darstellt. Allgemein sind die klimatischen Standortansprüche eher gering. Ein ausgeglichenes, maritimes Klima begünstigt jedoch die Winterernte und beugt gelbverfärbten und welken Blättern vor. Auch beim Boden wird ein breites Spektrum toleriert. Bevorzugt baut man Federkohl jedoch auf eher schwereren Böden mit guter Struktur und pH > 6 an. Aufgrund der Kohlherniegefahr darf Federkohl nie nach einer Kohlkultur stehen. In der Schweiz erfolgt der Anbau vorwiegend als Pflanzkultur in Anbausystemen wie man sie auch sonst im Kohlanbau antrifft. Die Pflanzabstände bewegen sich im Rahmen von 60 x 50 cm - 40 x 40 cm. Der Nährstoffbedarf ist vergleichbar mit anderen Kohlkulturen und erfolgt in der Regel aufgeteilt in eine Grund und eine Kopfdüngung bei Bestandesschluss. Im Hausgartenbereich steht Federkohl aufgrund des Pflanztermins im Sommer dennoch häufig in zweiter Tracht d.h. die organische Düngung wird bereits zur Vorkultur verabreicht. Wichtige Sorteneigenschaften sind nebst der Winterhärte im Winteranbau, die Blattkräuselung, Blattfarbe sowie die Wuchseigenschaften, die eine möglichst rationelle Handernte erlauben. Die Pflanzungen für die Haupternte von Oktober bis Februar erfolgen von Mai bis Juli. Die Kulturdauer bis zum Erntebeginn beträgt rund 100-130 Tage. Nebst der Herbst- und Überwinterungsernte werden seit einigen Jahren auch Sorten für die Sommerernte angebaut. Dadurch wird Federkohl mittlerweile ganzjährig in der Schweiz geerntet, wenn auch die Mengen im Sommer nur gering sind.
Auf eine bedarfsgerechte Bewässerung ist vor allem während der Jugendentwicklung im Sommer zu achten, weil sich durch unregelmässige Wasserversorgung gelb verfärbte und welke Blätter entwickeln können.
Das Schädlings- und Krankheitsspektrum ist mit anderen Kohlarten vergleichbar, wenngleich der Kohlmottenschildlaus (weisse Fliege) aufgrund der langen Kulturzeit und der krausen Blätter (Rückzugsmöglichkeit; schwierige Bekämpfung) eine besondere Bedeutung zukommt.
Die Sache mit dem Frost
Nach alter Weisheit benötigt Federkohl zur Ausbildung des typisch herben Geschmacks und der richtigen Süsse angeblich vor der Ernte eine Frosteinwirkung weil dadurch Stärke in Zucker umgewandelt würde. Tatsächlich befindet sich in ausgereiften Federkohlblättern jedoch kaum noch Stärke die zurück in Zucker umgewandelt werden könnte. Allerdings läuft die Fotosynthese auch bei ausgereiften Blättern weiterhin fort und es wird neuer Traubenzucker gebildet. Bei anhaltenden kühlen Temperaturen verlangsamen sich allgemein die Stoffwechselvorgänge. Besonders das im Energiestoffwechsel zentrale Enzym Phosphofructokinase wird dadurch gehemmt mit der Folge, dass der weiterhin gebildete Zucker nicht mehr verstoffwechselt wird und die Zuckergehalte in den Blättern entsprechend ansteigen. Diese enzymatische Hemmung setzt jedoch auch bereits über dem Gefrierpunkt ein eine Frostnacht ist daher nicht zwingend nötig. Die zusätzliche Zuckeranreicherung verlangt übrigens lebendes Gewebe. Aus diesem Grund ist es auch nicht möglich Federkohl in der Gefriertruhe "nachzureifen". Neuere Sortenzüchtungen zielen auf eine von Anfang an höhere Zuckeranreicherung in den Blättern ab, weshalb die Sommerernte möglich wurde.
Die Ernte von Federkohl Erfolgt in der Schweiz von Hand meistens als ganze Blätter d.h. mit Blattrippe. In Norddeutschland ist dagegen nebst der Frischmarktproduktion auch eine eigentliche Industrieproduktion mit Mähernte für Tiefkühlprodukte verbreitet. Im Bauerngarten sorgt Federkohl durch die über die Wintermonate einfache Handernte für einen kontinuierlichen Quelle an Vitamin C, Provitamin A, Kalium, Calcium und Fruchtsäuren.