Dynamische Entwicklung im Gemüsepflanzenschutz
Während der Wintermonate werden auf den Gemüsebetrieben in der Regel die Strategien für die neue Pflanzenschutzsaison zurechtgelegt. Dieses Jahr wird jedoch das eine oder andere Element weniger zur Hand sein um die hohen Qualitätsanforderungen des Handels zu erfüllen, denn im Jahr 2022 werden mehrere für den Gemüsebau relevanten Wirkstoffe wegfallen. Folgende, nicht abschliessende Tabelle zeigt gemüsebaulich wichtige Wirkstoffe die 2022 auslaufen werden.
Wirkstoff | PSM Beispiele | Aufbrauchfrist | Bisheriger Einsatz im Gemüsebau z.B. | Bemerkungen |
Bromoxinil | Buctril, Xinca | 31.12.2021 | Herbizide bei Zwiebeln und Zuckermais | Wegen hängigem Gerichtsverfahren wurde Xinca (Omya; W-7167-1) einstweilen bis 1.7.2022 verlängert |
Haloxyfop-(R)-Methylester | Gallant 535 | 30.6.2022 | Gräserherbizid in div. Gemüsekulturen | |
Oryzalin | Surflan | 30.11.2022 | Hirsen in Spargel | |
Mancozeb | Solo als Dithane, Bonita, Policar
In Kombifungiziden Curzate, Acrobat MZ, Revus MZ, Ridomil Gold | 1.4.2022 | Bekämpfung falsche Mehltaupilze z.B. in Zwiebeln, Salat, Spinat | Einzelwirkstoffe der Kombifungizide per Notzulassung vom 14.12.2021 in Zwiebeln in der Saison 2022 zugelassen. Siehe Link unten. |
Myclobutanil | Systane Max Systane viti | 30.11.2022 | Echter Mehltau bei Zucchetti/Kürbis und in Gewächshauskulturen | |
Fenamidon | Consento, Arkaban, Verita | 6.1.2022 | Fungizid mit diversen Indikationen | |
Thiacloprid | Biscaya | 31.12.2021 | In diversen Kulturen gegen Läuse, Thripse und weisse Fliege | |
Zeta-Cypermethrin | Fury 10 EW | 1.6.2022 | Diverse Kulturen, breite Indikation z.B. Erdflöhe, Möhrenfliege… | |
Pymetrozin | Plenum | 1.7.2022 | Läuse in Salaten, weisse Fliegen in Kohlarten |
Die kompletten Indikationsänderungen werden von der Agroscope Extension Gemüsebau seit einigen Jahren periodisch veröffentlicht: Aktualisierungen PSM Indikationen im Gemüsebau Agroscope.
Weil seit 2022 das BLV und nicht mehr das BLW Zulassungsbehörde von PSM ist, werden die Notfallzulassungen seit 2022 auf der Webseite des BLV hochgeladen Notfallzulassungen BLV
Mancozeb
Die Ankündigung des Wegfalls von Mancozeb wirbelte im letzten Jahr einigen Staub auf in der Gemüsebranche, wurde Mancozeb doch häufig sowohl alleine als auch als Bestandteil von Kombifungiziden in der Bekämpfung von falschen Mehltaupilzen z.B. bei Zwiebeln, Spinat und Salat eingesetzt. Mancozeb als Kontaktwirkstoff fiel dabei oft die Rolle des "Resistenzblocker" in den Bekämpfungsstrategien zu, weshalb das Risiko von Resistenzen in Zukunft wohl grösser sein wird. Die Saison 2021 verdeutlichte zudem, dass gerade bei Zwiebeln der falsche Mehltau eine sehr aggressive Krankheit mit ertragsminderndem Potential ist. Endsprechend wurde unter Hochdruck an Ersatzstrategien besonders in Zwiebeln gearbeitet. In den Versuchen von Agroscope, wovon 2021 eine Versuchsfläche am Strickhof in Wülflingen angelegt war, wurde bereits stark auf die Einzelwirkstoffe der mancozebhaltigen-Kombifungizide gesetzt, obschon zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht klar war, ob diese Einzelwirkstoffe dann effektiv in der Saison 2022 eine Zulassung in Zwiebeln haben würden. Endsprechend erfreut wurde die Notfallzulassung für die Saison 2022 dieser Einzelwirkstoffe in Zwiebeln kurz vor Weihnachten aufgenommen. Die Versuche 2021 zeigten, dass eine Bekämpfung des Zwiebelmehltau auch ohne Mancozeb möglich sein wird. Bei den Bundzwiebeln ist die Situation erschwert, weil hier ein Produkt welches in Lagerzwiebeln zugelassen ist, in Bundzwiebeln keine Indikation hat. Die Notfallzulassung ist zudem bislang auf die Saison 2022 beschränkt. Ob die Einzelwirkstoffe auch 2023 zur Verfügung stehen werden, ist bisher noch nicht sicher.
Insektizide
Bei den Insektiziden beobachtet man im Gemüsebau seit Jahren eine starke Einschränkung hin auf die Wirkstoffgruppe der Pyrethroide. Mit dem Rückzug des Neonicotinoids Thiacloprid (z.B. Biscaya) fällt 2022 eine weitere Alternative im Gemüsebau weg. Zwar kommt dieser Wegfall nicht komplett überraschend, erschwert die Bekämpfung von Problemschädlingen aber zusätzlich. Ein Wirkstoff der dadurch wohl künftig häufiger als Alternative zum Einsatz kommen wird im Gemüsebau ist Spirotetramat (z.B. Movento SC) dessen Indiokationen auf die Saison 2022 hin um Karotte, Knollensellerie und Fenchel erweitert wurde. Denn auch die Pyrethroide selber werden wohl künftig stärker reglementiert werden. Durch ihr ungünstiges Umweltverhalten gelten sehr tiefe Rückstandshöchstwerte in den Oberflächengewässern, weshalb diese Stoffgruppe nur wenn absolut notwendig eingesetzt werden sollte und wenn überhaupt dann strikte nach den Vorgaben bezüglich Abschwemmung und Drift.
Die weisse Fliege stellt gerade bei langen Kohlkulturen in Hitzejahren ein enormes Problem dar. Mit dem Wirkstoff Flonicamid (Teppeki) steht hier nun in den Indikationen Kopfkohle und Rosenkohl ein neues Werkzeug zur Verfügung. Bei den weiteren Bewilligungserweiterungen fällt auf, dass es sich dabei ausschliesslich um Produkte handelt, die auch im Bio-Anbau zugelassen sind. So wurde die Zulassung von Natural, Spinosad (z.B. Audienz), Azadirachtin A ("Neem") und Bacillus thuringiensis var. aizawei (Agree WP) auf weitere Kulturen ausgeweitet. Wurden diese Produkte früher nahezu ausschliesslich von Biobetrieben angewendet, setzten auch immer mehr konventionelle Betriebe gewisse Elemente in ihren Strategien ein.
Herbizide
Die Unkrautbekämpfung bei konkurrenzschwachen Saatkulturen wie Karotten und Zwiebeln stellt eine der grössten Herausforderungen im Anbau dar. Bei den Karotten stellte der Wegfall des Wirkstoffs Linuron die Produktion in den letzten Jahren vor grosse Herausforderungen. Die Ersatzstrategien haben sich hier jedoch mittlerweile etabliert und man hat einen gangbaren Weg gefunden. Bei den Zwiebeln könnte nun mit dem Wegfall von Bromoxinil (z.B. Buctril, Xinca) ein ähnlicher Wechsel der verwendeten Wirkstoffe anstehen. Als Alternative steht hier bereits seit 2021 ein Produkt auf Basis von Pelargonsäure (Natrel) zur Verfügung. Versuche dieses Produkt in die Unkrautstrategie einzubauen sehen zumindest vielversprechend aus, sofern eine gewisse Spätverunkrautung und die deutlich höheren Kosten toleriert werden.
Produktionsrichtungen nähern sich beim Pflanzenschutz einander an
Das Interesse von konventionellen Produzenten an "alternativen" Produkten d.h. PSM aus dem Bioanbau oder auch Pflanzenstärkungsmittel sowie Techniken wie Nützlingsförderung etc. hat in den letzten Jahren in der Beratung und den Weiterbildungsanlässen merklich zugenommen. So nähern sich die beiden Produktionsrichtungen beim Pflanzenschutz im Gemüsebau immer näher an. Bei der Düngung sind die Unterschiede noch grösser. Bei der Unkrautbekämpfung ist es z.B. so, dass auch die meisten konventionellen Betriebe mittlerweile in irgendeiner Art und weise Hacktechnologie einsetzen. Besonders bei den gepflanzten Kulturen wird der Trend wohl weiter in die Richtung einer Mischstrategie (chemisch und mechanisch) gehen. Auch auf konventionellen Betrieben wird eine rein chemische Unkrautbekämpfung künftig wohl eher die Ausnahme als der Regelfall sein. Der technische Fortschritt im Bereich der kameraunterstützten Hacktechnik in den letzten 10 Jahren hat hier sicherlich einiges dazu beigetragen, die Mehrkosten der mechanischen Bekämpfung zumindest etwas abzumildern. Allgemein wird es für die Etablierung neuer PSM und Pflanzenschutz Techniken entscheidend sein, ob die entstehenden Mehrkosten vom Markt auch abgegolten werden.