Die Digitalisierung ist im Zürcher Gemüsebau Realität
Die Zürcher Gemüsegärtnereien sind zunehmend digital unterwegs. Die Entwicklung geht dabei rasant voran, was nur schon ein Blick in vergangene Veranstaltungen unserer Fachstelle zeigt. Herbst 2011; Gemüsecorner zum Thema GPS-unterstützte Lenksysteme im Gemüsebau. Damals eine Innovation auf dem präsentierenden Betrieb, heute Standardausrüstung auf vielen Betrieben. Herbst 2016 Strickhof Salat-Tag; Präsentation des neuen kameragestützten Hackgeräts IC-Weeder von Steketee für Salate. Zwar kann man hier noch nicht behaupten, es handle sich 2023 um eine Standardtechnologie, der Einsatz solcher Geräte lohnt sich mittlerweile jedoch bereits für mittelgrosse Betriebe. Die automatisierte Bilderkennung der Gemüsepflanzen - welche die Grundlage für diese Hackgeräte darstellt - wird heute bereits verwendet um gezielt Düsen anzusteuern, welche die Pflanzenschutzmittel im sogenannten Spot-Spraying Verfahren ausbringen. Erste Geräte sind hier ebenfalls bereits im Praxiseinsatz.
Teure Produktionsfaktoren als Technologietreiber
Produktionsfaktoren wie Fläche und Arbeit sind in der Schweiz verglichen mit dem Ausland teurer. Der Gemüsebau ist zudem gekennzeichnet durch eine intensive Flächennutzung und einen sehr hohen Einsatz des Faktors Arbeit. Dementsprechend prädestiniert ist der Schweizer Gemüsebau für das Etablieren von Technologien, die diese Produktionsfaktoren sparsam einsetzen oder gar ersetzen. In der Öffentlichkeit wohl am meisten diskutiert sind in dieser Hinsicht Projekte, welche unter dem Sammelbegriff "Vertical Farming" in den letzten Jahren gestartet wurden. In der Tat werden in diesen Anlagen Automatisierungsgrade angestrebt (um Handarbeit einzusparen), wie man sie bisher nur aus der industriellen Fertigung, nicht jedoch vom Umgang mit lebenden Pflanzen her kennt. Was angesichts solcher Science-Fiction Anlagen fast etwas vergessen geht ist, wie auch in der "klassischen" Freiland- und Gewächshausproduktion immer mehr Technologien in den Praxiseinsatz kommen. Inklusive aller Kinderkrankheiten. Beim Thema Bewässerung kann man diese Entwicklung gut nachverfolgen. War lange Zeit das sogenannte Tensiometer als einzige Messmethode für die Bodenfeuchte vor allem in der wissenschaftlichen Forschung verbreitet, bieten heute immer mehr Anbieter Sensoren zum erfassen der Bodenfeuchte direkt den Produzenten an. Leider ist für die Anbieter dieser Messtechnologie die landwirtschaftliche Produktion oft Neuland und der Produzent wird mit der Interpretation der Messwerte zu oft alleine gelassen. Die zwei Disziplinen (Agronomie und Ingenieurwissenschaften) müssen künftig noch stärker zusammenwachsen um effektiv Mehrwert zu generieren.
Automatisierung der Handarbeit
Im Gemüsebau sind viele Arbeitsabläufe traditionell mit sehr viel Handarbeit verbunden. Dies betrifft insbesondere die Ernte, die Pflanzung und die Unkrautbekämpfung. Mit Ausnahme von sehr kleine Direktvermarktern ist heute die maschinelle Pflanzung und Aussaat Standard. Mittlerweile sind erste Vollautomatische-Pflanzmaschinen für klassische Jungpflanzen im Einsatz, bei denen im Prinzip lediglich noch der Nachschub mit Jungpflanzenkisten gewährleistet werden muss. Zudem sind komplett neue Pflanzsysteme (Stichwort: Planttape) auf den Markt gekommen. Auch bei der Ernte schreitet die Entwicklung weiter voran. Im Gewächshaus gibt es seit einigen Jahren von Universitäten angestossene Projekte zur autonomen Ernte von Fruchtgemüse mittels Roboterarme. Mittlerweile versuchen erste Spin-offs diese Maschinen auf Produktionsbetriebe zu bringen.
Von einem kleinen Boom kann man beim Thema der automatisierten Unkrautbekämpfung reden. Dies betrifft nicht nur die oben erwähnten kameragestützten Anhängegeräte zur Unkrautbekämpfung. Diese oft fälschlich als "Hackroboter" bezeichneten Geräte benötigen ein Zugfahrzeug und lediglich die Pflanzenerkennung erfolgt über die Bilderkennungssoftware. Daneben wurden aber auch vollständig autonom operierende Geräte für die Unkrautbekämpfung entwickelt. An der interkantontonalen Fachtagung für Freilandgemüse 2022 konnten gleich mehrere dieser Geräte in unterschiedlichen Grössen bestaunt werden. Dabei sind es längst nicht mehr nur die Biobetriebe, die auf solche Geräte ein Auge werfen. Durch den Rückzug wichtiger Herbizide werden auch im konventionellen Anbau gangbare Alternativen gesucht. Ob und wann sich diese Jätmaschinen durchsetzen scheint momentan weniger eine Frage der Technik, sondern eher eine Frage der rechtlichen Rahmenbedingungen beim Einsatz von autonomen Gerätschaften zu sein.
Digitalisierung auch nebst der Gemüseparzelle
In den Vor- und Nachgelagerten Bereichen wird ebenfalls zunehmend auf Digitalisierung gesetzt. So werden etwa die nötigen Aufzeichnungen bereits von erstaunlich vielen Betrieben digital gemacht. Spezialisierte Aufzeichnungsprogramme wie z.B. das Programm Leguma, um nur eines von vielen zu nennen, werden seit langem angewendet. Seit einigen Jahren geschieht die wöchentliche Erhebung der Angebotsmengen als Grundlage zur Bemessung der nötigen Importkontingente durchgehend digital mit einem schweizweit einheitlichen System. Diese Neuerung hat auch die Arbeit unserer Fachstelle nachhaltig verändert. Im Mai 2023 wurde die App SCROPS lanciert. Damit können die Betrieb die Wochenmeldung einfach per Smartphone abwickeln und über denselben Kanal aktiver an der Importregelung teilnehmen sowie Marktdaten einsehen.
Im Nacherntebereich hielten in den letzten 10 Jahren vermehrt Sortieranlagen Einzug, die mit Bilderkennung arbeiten um schlechte Ware auszusortieren, etwa bei den Karotten oder Bohnen. Bei Betrieben mit Verpackung oder Lagerhaltung wird, um die gesetzlich vorgeschriebenen Rückverfolgung zu gewährleisten, vermehrt mit volldigitalen Warenverfolgungssystemen gearbeitet. Nicht zu vergessen ist letztlich auch der eigene Webauftritt und/oder die Onlineshops für Direktvermarkter.
Anforderung an die Betriebsleiter steigen
Viele der neuen Technologien erfordern auch für die Anwender zumindest ein Grundverständnis von digitaler Datenverarbeitung. Ist man hier nicht fit, so wird das zunehmend ein echter Wettbewerbsnachteil. Die Zeiten in denen neue digitale Techniken als Spielereien abgetan wurden (man erinnere sich an die Bemerkungen als die GPS-Lenksysteme aufkamen) sind definitiv vorbei. Aus diesem Grund wird in der Ausbildung der jungen Berufsleute künftig ein grösseres Augenmerk auf digitale Techniken gelegt werden. Die neue Generation Betriebsleiter kann zudem davon profitieren, dass sie bereits von Kindsbeinen an den Umgang mit digitalen Medien und Tools gelernt hat. Diese Fähigkeiten werden auch nötig sein, steht doch mit Anwendungen, die mit künstlicher Intelligenz (KI) arbeiten, bereits die nächste potentielle Revolution für die Gemüsegärtnereien ins Haus.