Der Markt zeigt auf Bio
Gastbeitrag Biofarm / Bio-Ackerkulturen
In ihrem Artikel vor zwei Wochen (Bio-Ackerkulturen 2022: geräumte Lager, starke Nachfrage) hat Strickhof-Mitarbeiterin Katrin Carrel-Spielmann dargelegt, wie die strategischen Entscheide beider Grossverteiler die Nachfrage nach mehr Schweizer Bio-Lebensmitteln anheizen. Gewiss, der Markt ändert sich manchmal rasch – in alle möglichen Richtungen. Aber mit dem Instrumentarium zur Regelung von Importen und Umstellprodukten, mit dem sich Bio Suisse ausgestattet hat und zu dessen Einhaltung sich die Marktakteure verpflichten, verdient der Biomarkt das Vertrauen der Schweizer Landwirtschaft: Schweizer Bio-Knospe hat Priorität.
Zudem beabsichtigt ja auch das BLW in seinem neusten Verordnungsentwurf, künftig Eiweiss-Kulturen für die menschliche Ernährung gleich wie Futterleguminosen mit Einzelkultur-Beiträgen zu unterstützen, was in Anbetracht der Bio-Affinität ‚flexitarischer‘, vegetarischer oder veganer KonsumentInnen primär dem Biolandbau neue Chancen eröffnet.
Biotaugliche Kulturen sind gefragt – engagierte Ackerbauern ebenso!
Düngung und Pflanzenschutz sind bekannte Herausforderungen im biologischen Ackerbau. Gewisse Kulturen sind diesbezüglich einfacher, andere herausfordernder. Seit Jahren bemüht sich die Biofarm Genossenschaft um die Erweiterung der Kulturen-Palette, einerseits zur Förderung der Vielfalt von Acker bis zum Teller, aber auch um den Bio-Ackerbauern und –bäuerinnen Alternativen zu Nährstoff- und Pflanzenschutz-intensiven Kulturen wie Mais oder Kartoffeln anzubieten.
Bio-Sonnenblumen, -Lein, -Linsen oder -Buchweizen sind solche Kulturen, für die noch Produzenten gesucht werden und die vor allem bezüglich Nährstoffe geringere Ansprüche stellen. Mit ihren Blüten tragen sie zudem zu einer vielfältigen und insektenfreundlichen Landschaft bei.
Wie für die Intensivkulturen, braucht es aber auch bei diesen Kulturen für den erfolgreichen Anbau eine engagierte Betreuung, von der Saatbettbereitung bis zur Ernte.
Lein – ein Bekannter im Weinland
Landi Marthalen hatte schon längere Zeit Erfahrungen mit der Annahme von Lein gemacht und ist seit bald 10 Jahren einer der wichtigen Partner von Biofarm bei der Annahme dieser ‚Superfood‘-Ölsaat. Die wunderschön blau blühende Kultur erfordert auch bei Trocknung und Reinigung der Samen viel Know-how.
Lein kann in der Wintervariante im September oder als Sommerlein im Frühling gesät werden. Bei den Sammelstellen ist Sommerlein beliebter, da dessen Ernte nach dem Getreide erfolgt. Empfehlenswert ist die Wahl einer Parzelle mit geringem Unkrautdruck der entsprechenden Saatzeitpunkt-Variante, also z.B. wenig Melden, wenn im Frühling gesät wird. Ideal wäre ein kameragesteuertes Hacken in Getreide-Abstand, was aber nur in ebenen Parzellen möglich – und teuer – ist. Da eine gewisse Verunkrautung im Bio-Anbau oft nicht zu vermeiden ist, drängt sich das Mähen zu Schwaden mittels Front- oder Heckbalkenmäher, ev. Eingrasmäher auf. Die fasrigen Stängel lassen sich auch problemloser dreschen, wenn sie zwei bis drei Tagen getrocknet werden. Der Lohn-Betrieb Hermann in Schlatt verfügt über ein solches Mähwerk wie auch über einen Drescher mit für Schwaddrusch geeignetem Einzug.
Sogar die Saatgut-Produktion erfolgt bei Sativa in Rheinau und mit B. Billing in Wildensbuch, GZN in Niederhasli sind weitere Partner im Kanton für die Annahme, resp. Aufbereitung dieser Kultur vorhanden.
Knacknuss Spezialitäten-Annahme
Die Annahme spezieller Acker-Ernten ist nicht selten Knacknuss in der ganzen Produktion dieser Kulturen. Die oft kleinen Mengen, die teils zur gleichen Zeit wie das Getreide zur Ernte kommen, lassen sich kaum gleichzeitig von den stark ausgelasteten Getreidesammelstellen bewältigen. Biofarm sucht darum neue, geeignete Strukturen zu schaffen, um dem Anbau der vielen Ackerbau-Alternativen ein wichtiges Hindernis aus dem Weg zu räumen. Man ist mit verschiedenen möglichen Partnern im Gespräch.
Eine separate Annahme zu Getreide ist umso mehr zwingend, wenn glutenfreier Buchweizen angenommen werden soll. Für diese, ebenfalls sehr biotaugliche, weil anspruchslose und zudem sehr gut das Unkraut unterdrückende Kultur, gibt es nämlich einen neuen Absatzkanal. Interessierte Produzenten und ihre Drescherfahrer werden für den Mehraufwand der notwendigen Reinigung der Maschine entschädigt.
Linsen unter Erfolgszwang
Schon vor der Pandemie erfreuten sich Schweizer Bio-Linsen einer regen Nachfrage, doch ausgerechnet die beiden Absatz-boosternden Corona-Jahre brachten den Linsen nur Pech. Während im heissen April 2020 Blattläuse das Nanovirus in die Bestände trugen, was zu Totalausfällen führte, faulten im vergangenen Jahr Linsenfelder zusammen, die noch im Juni eine Top-Ernte zu bringen versprachen. Eine Erfahrung, die leider auch die Versuchs-Betreuenden des Stiegenhofs (Strickhof) machen mussten. Eine dritte Nullrunde wäre ein schwer verdaulicher Dämpfer für die frustrationsgeplagten Linsen-PflanzerInnen.
Dabei muss man wissen, dass diese ansonsten sehr anspruchslose Leguminose bei unseren nördlichen Nachbarn auf mehreren hundert Hektaren angebaut wird. Die ‚(Alb-)Leisa‘ haben dort eine Tradition, die seit 30 Jahren ein grosses Revival erlebt. Warum sollen die Linsen also nicht auch bei uns gedeihen? Der Anbau in Mischkultur mit der Ölsaat Leindotter, bei Biofarm-Bauern der Standard, mindert wenigstens teilweise das Risiko. Die in Aussicht gestellte Neuorientierung der Agrarpolitik würde dem Anbau ebenfalls zu mehr Sicherheit verhelfen.
Wer es intensiver mag
Wessen Betrieb mit Nährstoffen gut ausgestattet ist, der ist auch beim Wagnis Bioraps sehr willkommen. In Anbetracht des Ungleichgewichts von Produktion zu Nachfrage ist für Biofarm auch der Anbau von Sommerraps angezeigt. Bei zeitiger Saat im März sollten die Erdflöhe ein geringes Risiko sein, der Stängelrüssler fliegt sowieso früher und die Glanzkäfer sind hoffentlich vom letztjährigen Dauerregen dezimiert.
Last but not least: Auch eine Handelsfirma lebt nicht von hübschen Blümchen allein. Die Biofarm Genossenschaft, welche heuer ihr 50-jähriges Bestehen feiert, kann die Förderung der Vielfalt auch nur mit dank dem Handel mit Brotgetreide bewältigen. Bio-Mahlgetreide wie auch Speisehafer werden darum ebenfalls gerne unter Vertrag genommen.
Interessenten melden sich bei Biofarm: 062 957 80 60, info@biofarm.ch.
Hans-Georg Kessler, Leiter Landwirtschaft Biofarm, Ölsaaten
Autor: Hans-Georg Kessler, Biofarm Genossenschaft