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Die Blu00fctenpracht in einer jungen Rebanlage>

Biologische Regulierung von Schaderregern

Vielfalt im Rebberg, gesunde Pflanzen und gute Weine müssen kein Wiederspruch sein. Fredi Strasser zeigt in seinem neuen Buch „Pilzresistente Traubensorten – Reben biologisch pflegen, naturreinen Wein geniessen“, wie ihm in seinem Rebberg verschiedenen Naturzusammenhänge helfen seine Reben zu schützen und schonend guten Wein herzustellen.

Mit den folgenden beiden Beispielen illustriert Fredi Strasser, wie spannend die geschickte, ja intelligente Nutzung von Naturzusammenhängen ist, um unsere Kulturpflanzen zu schützen und schonend Lebensmittel zu erzeugen. 

Nützliche Raubmilben früh ernähren

In den Ritzen des mehrjährigen Rebstockes, nisten sich im Herbst Insekten und Milben ein. Wichtig für uns Winzer sind die Raubmilben. Bei warmen Sonnenstunden verlassen sie oft schon im Februar ihre Verstecke und beginnen mit der Nahrungs- und Partnersuche. Partner finden sie genügend, doch die Nahrung ist so früh noch knapp. Deshalb hilft ihnen der schlaue Bauer, welcher sich vom Biologen das notwendige Wissen beschafft hat. 

Sie brauchen energiereiche Nahrung für die Paarung und die Vermehrung. Zum Glück beginnt in der Pflanzenwelt zu dieser Zeit ebenfalls die Hochzeitssaison. Die Natur hat ihre Gesetzmäßigkeiten aufeinander abgestimmt. Der Haselstrauch, ein Frühblüher, stäubt mit seinen Millionen Pollenkörnern die ganze Umgebung ein. Dieser männliche Blütenstaub ist ein Hochenergieprodukt, weil er in kurzer Zeit viel leisten muss. Erreicht er nämlich die weibliche Narbe, keimt er und sein Keimschlauch legt einen langen Weg durchs weibliche Gewebe zurück bis zur Eizelle, um sie zu befruchten. Die Natur sorgt für Sicherheit durch das Prinzip des Überflusses: Millionen von Pollenkörnern werden ausgesendet, damit wenigstens einige Tausend die weiblichen Blütenteile erreichen. 

Viele bleiben aber an vielen Pflanzen kleben und dienen dort als energiereiche Nahrung für Milben, Insekten, Bakterien oder Pilze. Der Blütenstaub des Hasel ist somit ein wertvoller Helfer bei der natürlichen „Raubmilbenzucht“ im Rebberg. Der schlaue Winzer pflanzt daher am Süd- und Westende seiner Rebzeilen ab und zu einen Haselstrauch, damit der Wind die Raubmilbennahrung in den Rebberg auf die Weinstöcke trägt.

Blumenpracht im Rebberg
Blumenpracht im Rebberg

Schädliche Kräuselmilbe, Gemeine Spinnmilbe und Rote Spinne

Die schädlichen Milben, welche ebenfalls gut geschützt in Ritzen des Rebstockes überwintern, erwachen erst im April, wenn sie ihre Nahrung wittern, weil nun die Rebe austreibt. Sie stürzen sich sofort auf die zarten Blätter und Schösslein der Rebe und saugen mit ihrem Stachel den zuckerreichen Pflanzensaft aus deren Leitbahnen. Die jungen Schösslein wehren sich mit Einkrümmen und Verdicken der Haut und wachsen auf die andere Seite, als wollten dem Stich des Widersachers entkommen. Doch die Milbe merkt, dass auf der anderen Seite im Innern des Schössleins nun mehr Zuckersaft fließt, wechselt die Seite und saugt dort von Neuem im noch jungen und zarten Gewebe. Die Rebzweige krümmen sich wieder auf die andere Seite, bleiben in Zickzackform kümmerlich. Im Extremfall bildet die Rebe mit ihren kleinen Blättern und gestauchten Kurztrieben keine Trauben. 

Raubmilben als Jäger ansiedeln… 

Da ist es ein Glück, wenn zum Zeitpunkt des Erwachens der Schadmilben schon viele der nützlichen Raubmilben aktiv sind. Im vielfältigen Rebberg ernähren sich die Raubmilben auch vom Pollenstaub der früh blühenden Kräuter, z.B. von Löwenzahn, und den ersten Gräsern, z.B. dem Gewöhnlichen Rispengras und vermehren sich früher als die Schadmilben und stürzen sich dann auf diese. Was tut der Winzer, wenn sein Rebberg nicht ausreichend mit Raubmilben besiedelt ist? Wieder nutzt er ökologisches Wissen und holt Raubmilben aus anderen Rebparzellen. Man verwendet dazu die kleinen, überzähligen Blättlein und Schösslein, die man im Mai beim Erlesen wegnimmt. Statt sie auf den Boden fallen zu lassen, werden sie eingesammelt und gleichentags in die Empfängerrebstöcke gebracht, die schon Milbenbefall zeigen. Auch die Frostruten, welche zu dieser Zeit abgeschnitten werden, dienen als Raubmilbenspender. Besonders bei Neupflanzungen haben wir dieses Spiel bereits mehrfach mit Erfolg praktiziert. 

…und Blütenstaub als Kraftnahrung anbieten.

Die kleinen Helfer im Rebberg brauchen den ganzen Sommer durch genügend Blütenstaub, also muss der Winzer weitsichtig handeln. Möglichst viele verschiedene Pflanzen sollen im Rebberg wachsen, die sich beim Blühen kontinuierlich ablösen. Das muss man für das Mähen, Mulchen oder Walzen der Begrünung einplanen. Zuerst wird jede zweite Fahrgasse früh, also schon vor dem Blühen der Gräser und Kräuter, geschnitten. Die daneben liegenden Fahrgassen werden absichtlich noch fünf oder sechs Wochen stehen gelassen. Dort hat es nun Blütenstaub und Unterschlupf für alle möglichen Kleinlebewesen. Wenn auch diese Fahrgassen geschnitten oder gewalzt werden, ist in den erstgemähten Fahrgassen die Begrünung nachgewachsen und bietet Unterschlupf und Blütenstaub als Nahrung. So zieht sich diese «wechselnde» sogenannte alternierende Unterwuchsbewirtschaftung durchs Jahr und sorgt für viel Leben im Rebberg.

Die Blütenpracht in einer jungen Rebanlage
Die Blütenpracht in einer jungen Rebanlage

Die Raupen des Traubenwicklers, genannt Heu- und Sauerwurm 

Die Puppen der beiden Arten des Traubenwicklers, der Einbindige (Eupoecilia ambiguella) und der Bekreuzte (Lobesia botrana), überwintern in Rissen der Borke auf den Weinstöcken. Im April/Mai schlüpfen die ersten Falter. Sie paaren sich und die Weibchen legen ihre Eier in die Gescheine der Reben. Daraus schlüpft die erste Raupengeneration. Weil das im Juni in der Zeit der Heuernte ist, nennt man diese Generation auch «Heuwurm». Diese fressen nur wenig an den Gescheinen der Reben und verursachen normalerweise noch keine großen Schäden. Die später folgende zweite, viel grössere Generation kann Traubenpartien leerfressen oder die nun grösseren Beeren anfressen, wodurch Fäulnisnester entstehen, die vom Graufäulepilz und Essigbakterien befallen werden. Die Traube riecht in der Folge bald nach Essig, weshalb wir Winzer diese zweite Generation «Sauerwurm» nennen

Teufelskreis der damaligen breitwirkenden Insektizide

Ich erinnere mich an das Totenkopfsymbol auf den Packungen der sehr giftigen Insektizide, welche damals gegen Traubenwickler verwendet wurden. Diese eliminierten logischerweise auch alle anderen Tierchen im Rebberg, inklusive nutzbringender Raubmilben. Aber einzelne Schadmilben überlebten doch noch irgendwo in einer Ritze, entwickelten sich dann ohne Nahrungskonkurrenten sehr rasch, verursachten an den Reben schwere Saugschäden und zwangen den Winzer, im Folgejahr nochmals zum starken Gift zu greifen, diesmal gegen Schadmilben! 

Wie der Winzer die Männchen des Traubenwicklers an der Nase herumführt  

Zum Glück entdeckten weitsichtige Forscher des Forschungsanstalt Agroscope in Wädenswil, dass die Weibchen des Traubenwicklers die Männchen mit einem Sexualduftstoff, Pheromon genannt, für die Paarung anlocken. Es gelang ihnen, diesen Lockstoff im Labor herzustellen. Der Schritt von hier bis zur Anwendung im Rebberg, wurde auf intelligente Weise gemacht:  Es wurden kleine Dispenser mit dem Pheromon entwickelt, welche den Duft kontinuierlich und über Wochen abgeben. Diese werden kurz vor dem oder gerade beim Flugbeginn, welchen man mit Duftfallen beobachtet, in den Rebberg gehängt. Nun duftet der ganze Weinberg nach Traubenwickler-Weibchen. Verzweifelt fliegen die Männchen in dieser riesigen Weibchen-Duftwolke umher, können die Weibchen aber nicht oder nur selten finden. Ziel ist somit nicht die Vernichtung der Population, sondern mit lenkendem ökologischem Handeln senkt man die Vermehrung unter der Schadschwelle.

Bazillus thuringiensis mit natürlichem, hoch spezifischem Giftstoff

Schon anfangs 1900 hatte ein japanischer Forscher ein Bakterium auf toten Seidenraupen entdeckt Bazillus thuringiensis (kurz BT genannt). Später erkannte man, dass diese ein Gift gegen Insekten ausscheiden und fand diese Bakterien auch als natürliche Beschützer von Pflanzenwurzeln.  Erst Jahrzehnte später wurden verschiedene Toxine von verschiedenen BT- Stämmen identifiziert und als Spritzmittel vermarktet, auch gegen den Traubenwickler. Heute sind viele Stämme dieser Bodenbakterien bekannt, welche im Gemüse- und Ackerbau als biologische Mittel eingesetzt werden, um Kulturen vor fressenden Insektenlarven zu schützen. Die jeweiligen Stämme sind sehr spezifisch und für andere Lebewesen unschädlich. Sie produzieren ein kristallisiertes Protein, welches von der jeweiligen Insektenart gefressen wird. Das Kristallprotein wirkt einerseits frasshemmend, anderseits löst es sich im Magen und Darm auf und durchlöchert das Verdauungssystem, was rasch zum Tod der Insektenlarven führt. Gegen das fliegende Insekt ist BT wirkungslos, also muss es zielgerichtet und im richtigen Moment bei jungen Larven eingesetzt werden. Aus diesem Grunde ist im Rebbau die Verwirrungstechnik mit den Pheromondispensern viel die sichere Methode und weil man nicht mit der Spritze fahren muss, auch viel bodenschonender und eleganter. 

Die Vielfalt und die Beweidung der Rebterassen
Die Pflanzenvielfalt und Beweidung der Rebterassen