Bio-Körnerleguminosen im Fokus
Der erste Teil der Veranstaltung fand am 15. Januar 2021 statt und ermöglichte den über 80 Teilnehmern trotz Online-Modus einen vielseitigen Einblick ins Thema. Neben der Mühle Rytz AG als wichtige Abnehmerin in der Biofutter-Branche, berichteten Forscher und Praktiker über ihre Erkenntnisse aus Züchtung und Anbaupraxis. Ein weiteres Referat befasste sich mit den Möglichkeiten der industriellen Verarbeitung von Körnerleguminosen für die menschliche Ernährung.
Bio-Körnerleguminosen für die Fütterung
Die Nutzungseignung und die Marktsituation von Bio-Körnerleguminosen wurden von Christian Rytz von der Futtermühle Rytz AG vorgestellt. Vor dem Hintergrund der neuen Vorschrift von 100% Schweizer Biofutter für Wiederkäuer ab 2022 und dem Ziel, den Kraftfutteranteil in der Ration von zehn auf fünf Prozent zu senken, schätzt der erfahrene Verarbeiter den zusätzlichen Flächenbedarf für Biosoja auf 2500 Hektaren. Eine so starke Flächenerweiterung zu erreichen, wird innerhalb eines Jahres kaum möglich sein. Rytz schlägt vor, gleichzeitig mehr Luzernemischungen für den Eigenbedarf anzubauen. Wo das Eiweiss voraussichtlich knapp wird, sollten Biolandwirte ihre Rationen überdenken in Bezug auf den Energieanteil. Um eine ausgewogene Fütterung zu erreichen, empfiehlt Rytz den Maisanteil in der Ration zu senken, so dass der Bedarf an Soja für den Proteinausgleich möglichst klein bleibt.
In seinem Referat erklärte Rytz den Zuhörern, für welche Nutzung sich die einzelnen Körnerleguminosen-Arten besonders eignen. Proteinerbsen enthalten durchschnittlich 18.5% Rohprotein und sind von Natur aus ein ausgeglichenes Futter für Wiederkäuer. Eiweisserbsen eignen sich deshalb nicht für den Proteinausgleich, sind aber interessant für die Schweinefütterung. Ihr Vorteil liegt dabei im hohen Lysin- und im geringen Fettgehalt. Ackerbohnen haben einen mittleren Rohproteingehalt von 25 Prozent und sind aufgrund ihres Lysin- und Methionin-Gehalts und ihrem geringen Fettanteil ebenfalls wichtig in der Schweinefütterung. Einschränkend wirken bei den Ackerbohnen die Tannine und die teilweise recht tiefe Keimfähigkeit bei Bio-Saatgut aus der EU. Weissblühende Sorten mit einer hellen Schale weisen im Allgemeinen tiefere Tannin-Gehalte auf und eigenen sich besser für die Fütterung. Ackerbohnen sollten idealerweise in Reinkultur angebaut werden. Die Nachfrage nach Ackerbohnen und Eiweisserbsen beurteilt Rytz als sehr gut.
Lupinen waren bis jetzt eher eine Nischenkultur, haben jedoch einen sehr interessanten Rohproteingehalt von 30-35 Prozent. Die neuen Weissen Lupinensorten FRIEDA und CELINA sind Hoffnungsträgerinnen, da sie über eine sehr gute Anthraknose-Toleranz und ein sehr gutes Ertragspotential verfügen. Rytz empfiehlt für milde Lagen bis 500 m.ü.M. Futtersoja anzubauen. In etwas höheren Lagen, haben Lupinen aufgrund ihrer Kühletoleranz ein vielversprechendes Potential. Aus der Sicht der Futtermühle bleibt Soja aber die wichtigste Körnerleguminose. Sojakuchen, der in Futtermischungen zum Einsatz kommt, enthält 45 Prozent Rohprotein. Soja-Samen werden vor der Verarbeitung gepresst und erhitzt («Toasten»). Dabei werden die unerwünschten Trypsin-Inhibitoren in den Sojabohnen abgebaut und etwa 10-12% Öl gewonnen. Futtersoja ist der Haupteiweissträger in der Geflügelfütterung, insbesondere wegen ihrem hohen Gehalt an Methionin. Gleichzeitig eignet sich Soja für den Eiweiss-Ausgleich in Futtermischungen für Wiederkäuer besser als Eiweisserbsen und Lupinen. Wegen dem relativ hohen Restfett-Gehalt im Presskuchen eignet sich Soja allerdings schlecht als Schweinefutter.
Körnerleguminosen für die menschliche Ernährung
Zwei Referate befassten sich auch mit der Nutzung von Körnerleguminosen für die menschliche Ernährung. Bio-Speisesoja kann nur mit Anbauvertrag angebaut werden und wird zu fast 100 Prozent für die Tofu-Produktion genutzt. Das Marktvolumen liegt zurzeit bei etwa 700 Tonnen und es werden nur wenige neue Produzenten gesucht. Für die Tofu-Herstellung entscheidend ist ein hoher Proteingehalt und eine hohe Ausbeute. Die Qualitätsanforderungen sind hoch: Das Erntegut darf keine Verunreinigungen mit Unkraut aufweisen und darf nicht grau sein. Eine konsequente Unkrautbekämpfung ist deshalb ein wichtiger Erfolgsfaktor. Auch die Erfahrungen in den Versuchen am Strickhof-Partnerbetrieb Stiegenhof zeigen, dass der Unkrautdruck den Ertrag, aber auch die Feuchtigkeit im Erntegut sehr stark beeinflusst. Bei Speise-Soja lohnt sich aufgrund der relativ hohen Produzentenpreise notfalls sogar Handarbeit.
Ursula Kretschmar ist Lebensmittel-Wissenschafterin am FiBL und berichtete über verschiedene Möglichkeiten, um Körnerleguminosen für die menschliche Ernährung industriell zu verarbeiten. Tofu-Piccata, Linsen-Waffeln und Lupinen-Drinks sind Bioprodukte, die es bereits heute zu kaufen gibt. Von den unterschiedlichen Verarbeitungstechnologien ist das Extrusionsverfahren mit gewissen Rahmenbedingungen von Bio Suisse neu zugelassen. Dabei werden Sojabohnen mit relativ viel Druck (20-35 bar) und hohen Temperaturen (120-140 °C) z.B. zu Soja-Schnetzel verarbeitet. Bei der Extrusion entstehen kaum Nebenprodukte. Sie eignet sich besonders für grössere Verarbeitungsmengen und für die Vermarktung über den Grossverteiler. Demgegenüber steht die artisanale und schonende Verarbeitung von Soja zu Tofu für Direktvermarkter. Bei dieser Verarbeitungsweise fallen allerdings relativ grosse Mengen an Nebenprodukten an (Okara), die anschliessend weiter genutzt werden müssen.
Stefan Brunner vom Eichhof ist Bioproduzent aus der Region Aarberg. Er berichtete von innovativen Ansätzen, um Körnerleguminosen als Gemüse zu nutzen. Auf besonderes Interesse stiess vor allem sein Bericht über den Anbau von Erdnüssen und Schwarzen Auskernbohnen. Mit viel Geduld und Experimentierfreude testet Brunner jeweils eine neue Gemüseart in seinem Hausgarten, bevor er den Anbau und die Verarbeitung auf einer grösseren Betriebsfläche in Angriff nimmt.
Erfahrungen und Tipps aus Österreich
Andreas Surboeck vom FiBL Österreich berichtete über Erfahrungen und Tipps für den Anbau mit Körnerleguminosen. Die Anbaufläche von Bio-Soja in Österreich liegt zurzeit bei rund 24'800 Hektaren. Die Klimabedingungen im Hauptanbaugebiet Niederösterreich sind deutlich trockener als in der Schweiz, die Jahresniederschläge liegen bei 500-600 mm. Surboek erinnerte die Zuhörer daran, dass man beim Anbau von Bio-Körnerleguminosen mit schwankenden Erträgen leben muss. Ausserdem betonte er, dass die Einhaltung der Anbaupausen sehr entscheidend ist, wenn die Anbauflächen für Körnerleguminosen ausgedehnt werden sollen, ohne dass sich die gefürchtete Bodenmüdigkeit auf dem Betrieb ausbreitet. In Österreich werden für Eiweisserbsen Anbaupausen von 6-9 Jahren, für Ackerbohnen 4-6 Jahre empfohlen. Ausserdem sollte man in einem solchen Fall auf Körnerleguminosen als Zwischenkultur verzichten. Luzerne eignen sich hingegen gut und haben keinen negativen Einfluss.
Sorge bereitet den Österreichischen Biobauern die Ausbreitung von Nanoviren durch Blattläuse in den Körnerleguminosen-Beständen. Als Gegenmittel hat sich der Anbau von Mischkulturen erwiesen. In Mischbeständen finden sich deutlich weniger Blattläuse und dementsprechend hält sich der Befall mit Nanoviren in Grenzen. Bei uns eher weniger bekannt ist der Anbau von Pannonischer Wicke und Winterroggen als Mischkultur. Diese Kultur ist sehr standfest und dichtwüchsig, wird in Österreich vom Handel abgenommen, getrennt und für die Futterherstellung verwendet. Im Vergleich zur Zottelwicke zeigt die Pannonische Wicke kaum Durchwuchsprobleme.
Frühlingssaaten im Blick
Die Fragen aus dem Teilnehmer-Chat spiegelten das grosse Interesse der Zuhörer am Thema Körnerleguminosen. Neben den innovativen Ansätzen für die menschliche Ernährung bleibt die Bio-Futtersoja eine sehr wichtige Kultur in Hinblick auf die neuen Richtlinien für die Wiederkäuerfütterung. An günstigen Standorten wird deshalb zurzeit der Anbau von Bio-Futtersoja empfohlen. Die Unkrautbekämpfung mit der Hacke in weiten Reihen (50cm) hat sich bewährt und sollte konsequent durchgeführt werden. In höheren Lagen bieten Weisse Lupinen eine Alternative. Sie sind einfach im Anbau und werden mit der Getreidesämaschine gesät. Wie Soja sollten Lupinen unbedingt im Säkasten geimpft werden. Im Moment empfiehlt Christine Arncken, Lupinen-Spezialistin am FiBL, die Sorte FRIEDA. Damit der Lupinenanbau gelingt, müssen die Rahmenbedingungen abgeklärt werden: Lupinen ertragen keinen freien Kalk in der Bodenlösung (Salzsäure-Test) und der Abnehmer sollte vor der Saat kontaktiert werden.
Autorin: Katrin Carrel