Bedeutung der Weidewirtschaft in der Schweizer Landwirtschaft
Der gesamte Produktionswert der Landwirtschaft liegt derzeit bei ca. 11.4 Milliarden Franken. 21.9 % davon entfallen auf die Milchproduktion, weitere 13,1 % auf die Produktion von Rindfleisch. Die gemeinwirtschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft sind darin noch nicht eingeschlossen.
Aus verfahrenstechnischer Sichtweise sind nicht alle Flächen in der Schweiz befahrbar und damit mechanisch bearbeitbar. Aus wirtschaftlicher Sichtweise ist dies auch nicht sinnvoll. Deshalb gewinnt die Weide zukünftig in mehrfacher Hinsicht eine zunehmende Bedeutung. Hierbei müssen allerdings verschiedene Einflussgrössen in die Betrachtung einbezogen werden
Weidehaltung Milchvieh
Die Weidehaltung von Milchkühen ist unter schweizerischen Bedingungen insbesondere bei Bio-Betrieben eine weit verbreitete arbeits- und betriebswirtschaftlich interessante Sommerfütterungsvariante. Je nach Lage des Betriebes und der Parzellenanordnung stehen verschiedene Weideverfahren (Umtriebsweide, Portionenweide und Kurzrasenweide) zur Auswahl. Häufig werden die verschiedenen Weideverfahren auch miteinander kombiniert oder durch eine Zusatzfütterung im Stall oder in einer Raufe ergänzt.
Der Arbeitszeitbedarf für die alleinige Weidehaltung, ohne Beifütterung im Stall variiert zwischen 5 und 1 Minute je Kuh und Tag und hängt von der Bestandesgrösse, Aufstallungsart und Treibweglänge ab. Hinzu kommen nichttägliche Arbeiten wie Zaunerstellung, Wasserversorgung und Weidepflege.
Weidehaltung arbeitswirtschaftlich vorteilhaft
Unter günstigen Bedingungen, das heisst vor allem bei kurzen Treibwegen und wenig täglichen Zaunarbeiten, sind Weideverfahren gegenüber allen anderen Fütterungsverfahren vorteilhaft. Betriebe mit Laufstallhaltung und Weidegang sind aus arbeitswirtschaftlicher Sicht im Vorteil gegenüber solchen mit Anbindehaltung, da das Loslösen und Anbinden der Tiere entfällt. Im günstigsten Fall, das heisst bei voll arrondierten Betrieben, fallen hier überhaupt keine Treibarbeiten, sondern lediglich Kontrollarbeiten an.
Vergleich der Weidehaltung mit anderen Fütterungsverfahren
Als Alternative zum Weiden stehen verschiedene andere Fütterungsverfahren mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen zur Verfügung.
Hierzu gehören insbesondere die Stallfütterungsverfahren im Winter- (Heu, Silagen) und Sommerhalbjahr (Heu, Silagen und Frischgras). Ausser der Selbstfütterung am Flachsilo mit Heuzufütterung in einer Raufe auf dem Laufhof kann aber derzeit aus arbeitswirtschaftlicher Sichtweise kein Fütterungsverfahren mit dem Weidegang im Sommer konkurrieren. Dies unterstreicht die Vorteilhaftigkeit der Weidehaltung unter schweizerischen Bedingungen.
Aus der ergonomischen Sichtweise kommt noch der geringe von Hand zu bewältigende Massenumschlag hinzu. Bei der Weidehaltung muss kein Futtertisch gereinigt und ausserdem im Stall weniger entmistet werden.
Aus der Sicht der Ethologie ist die Weidehaltung als sehr natürliches Fütterungsverfahren anzusehen. Die Bewegung der Tiere wird gefördert, das Fressverhalten kann optimal ausgelebt werden. Die Tiergesundheit wird durch die Bewegung verbessert. Sämtliche natürliche Verhaltensweisen der Kuh sind uneingeschränkt erkennbar.
Aus der Sicht der Emissionsminderung von Umweltgasen (z.B. Ammoniak) hat die Weide ebenfalls mehrere Vorteile. Einerseits entsteht auf der Weide deutlich weniger Ammoniak als im Stall, da Kot und Harn meist getrennt voneinander abgesetzt werden und der Harn rasch versickert. Andererseits fällt weniger emissionswirksame Gülle im Stall an, die anfallenden Nährstoffe aus Kot und Harn sind auf der Weide direkt pflanzenverfügbar und der kostenintensive Transport entfällt.
Wirtschaftliche Weide
Die ökonomische Betrachtungsweise der Weide stellt insbesondere die Vollweide als sehr konkurrenzfähiges Verfahren heraus. Allerdings trifft dies nur unter bestimmten Bedingungen zu. Da durch die Vollweide – ohne Zufütterung im Stall – bei der Sommerfütterung keine wesentlichen Maschinenkosten mehr anfallen, sinken die variablen Kosten deutlich gegenüber anderen Verfahren. Hinzu kommt der geringere Arbeitszeitbedarf bei kurzen Wegen und Laufstallhaltung. Dies unterstreicht die Vorteilhaftigkeit der Vollweideverfahren aus betriebswirtschaftlicher Sichtweise bei knapper Arbeitszeit und ausreichender Fläche. Wird neben der Weidehaltung allerdings noch ein weiteres Fütterungsverfahren durchgeführt (z.B. Eingrasen oder Silagefütterung) hat dies einen negativen Einfluss auf den Arbeitszeitbedarf und die gesamte Wirtschaftlichkeit der Fütterung.
Schlussfolgerungen
Neben den direkt produktionsbezogenen Arbeiten ist zukünftig vermehrtes Augenmerk auf das Weidemanagement zu legen. Insbesondere bei der Kurzrasenweide ist der Aufwuchs ständig zu kontrollieren und der Betriebsleiter muss nahezu täglich seine Entscheidungen (zum Beispiel Fläche zum Konservieren auszäunen) überdenken. Dafür ist der Zeitbedarf für die Arbeitserledigung bei einem funktionierenden System mit regelmässigen sowie ausreichenden Niederschlägen dann auch entsprechend gering. Im Gegensatz dazu ist der Zeitbedarf für die Führung einer Portionenweide durch das tägliche Zäunen leicht erhöht. Der Managementaufwand ist dabei aber sehr niedrig, da die Entscheidung (Zaun erstellen) durch das Verfahren ständig vorgegeben ist.